Am 28. November werden die
Schweizer Stimm-berechtigten an der Urne wieder
einmal zu einem Thema Stellung beziehen, das
Migrant_innen betrifft: Sie werden darüber
abstimmen, ob eine gesetzliche Norm, die die
Schweiz seit langem kennt, nun in der Verfassung
verankert wird. Es geht um die doppelte Strafbarkeit.
Eine Institution also, die dem Grundsatz widerspricht,
dass „niemand für die gleiche Straftat
zweimal bestraft werden kann“. Mit der
doppelten Strafbarkeit wird ein Ausnahmerecht
ins Feld gebracht, das auf klar diskriminierenden
und rassistischen Prinzipien beruht.
Die Schweizer Bevölkerung
muss sich zwischen zwei Vorschlägen entscheiden:
Der Initiative „Für die Ausschaffung
krimineller Ausländer“ der SVP und
dem Gegenvorschlag, der vom Bundesrat ausgearbeitet
wurde und uns vormacht, das übergeordnete
internationale Recht respektieren zu wollen.
Nur: Abgesehen von ein paar Einzelheiten sind
die beiden Gesetzesentwürfe identisch.
Auf die Wahlen 2011 vorausblickend, scheinen
die Regierungsparteien (mit Ausnahme der Grünen)
ihre Strategie gefunden zu haben: Sie reiten
mit auf der Welle des ausländerfeindlichen
Populismus und der Stimmungsmache gegen die
Armen.
Das
eine Schaf gleicht dem anderen
Die SVP-Initiative sieht vor,
dass alle Aus-länder_innen, unabhängig
von ihrem Aufenthaltsstatus, automatisch ausgewiesen
werden, wenn sie wegen eines vorsätzlichen
Tötungsdelikts, wegen einer Vergewaltigung
oder eines anderen schweren Sexualdelikts, wegen
eines Gewaltdelikts wie Raub, wegen Menschenhandels,
Drogenhandels oder eines Einbruchsdelikts rechtskräftig
verurteilt worden sind oder missbräuchliche
Leistungen der Sozialversicherungen oder der
Sozialhilfe bezogen haben. Der Gesetzgeber kann
die Liste der Tatbestände ergänzen,
die zur automatischen Ausschaffung führen.
Der Gegenvorschlag sieht ebenfalls
die automatische Ausschaffung der AusländerInnen
vor, wenn sie:
Die
Demontage des übergeordneten internationalen
Rechts
Die zwei Gesetzestexte führen
den Grundsatz des Ausschaffungsautomatismus
ein. Oder anders ausgedrückt: Welche Wahl
man auch trifft am 28. November, Ausschaffung
oder Rückschaffung werden in Zukunft die
Regel sein, das Recht zu bleiben, die grosse
Ausnahme.
Die Ausschaffungsbefehle werden
automatisch ausgesprochen, ohne eine vertiefte
Betrachtung der Umstände der einzelnen
Fälle und unter Missachtung des zivilrechtlichen
Verhältnismässigkeitsprinzips.
Das Prinzip des Ausschaffungsautomatismus
verstärkt den Ermessensspielraum der Verwaltung
und überlässt somit den Funktionären
der „Polizei gegen die Ausländer“
die freie Beurteilung. Daraus folgt, dass sowohl
Initiative wie auch Gegenvorschlag elementares
Völkerrecht und zahlreiche von der Schweiz
unterschriebene Konventionen in Frage stellen.
Die beiden Gesetzesvorschläge betreffen
alle ausländischen Personen, die in der
Schweiz leben. So auch jene aus der Europäischen
Union, die im Namen der bilateralen Abkommen
zur Personenfreizügigkeit das Recht haben,
sich in diesem Land niederzulassen und zu arbeiten.
Auch betreffen sie die gesetzlich anerkannten
Flüchtlinge, die in ihrem Ursprungsland
bedroht und normalerweise durch die Europäische
Menschenrechtskonvention vor Rückschaffungen
geschützt sind. Menschen, die in ihrem
Herkunftsland von Folter bedroht sind, sind
ebenfalls betroffen.
Sowohl die SVP-Initiative
wie auch der Gegenvorschlag zeichnen sich durch
eine Strategie aus, das übergeordnete Völkerrecht
gezielt zu schwächen oder gar zu demontieren.
Eine Strategie, die nicht nur von den herrschenden
Kreisen in der Schweiz mitgetragen wird, sondern
auch von jenen im restlichen Europa, wie Italien,
Frankreich und Griechenland.
Spalten
und herrschen – und die Krise auf die
Lohnabhängigen übertragen
Während die Arbeiter_innenklasse
durch die Folgen der Krise getroffen und geschwächt
wird – Lohnabbau, Verschlechterung der
Arbeitsbedingun-gen, Zunahme von prekärer
Arbeit und Arbeits-losigkeit, Attacken auf die
Sozialwerke (AHV, IV, Sozialhilfe) – spielen
die auf ökonomischer, politischer und kultureller
Ebene dominanten Kreise mal wieder mit dem Virus
des Rassismus und der Xenophobie. Das Ziel dieses
Manövers ist klar: Die Lohnabhängigen
haben die Krise zu bezahlen. Um dies zu erreichen,
benutzt man das altbekannte Muster des Ausländers
als Sündenbock! Man stigmatisiert ihn als
fremdes Subjekt, das unfähig ist, sich
zu assimilieren oder zu integrieren, und das
verantwortlich ist für jegliches Übel
in der Gesellschaft. Damit sollen die Schweizer
Bürger_innen von den wahren Verantwortlichen
der Krise abgelenkt werden: den Unternehmern,
Bankiers und anderen Spekulanten, die gerettet
wurden dank der öffentlichen Finanzspritzen,
die die Wirtschaft wieder „in Schwung“
bringen sollten, um sich dann gleich raubgierig
wie zuvor kolossale Reichtümer auf dem
Rücken der Arbeiter_innen anzueignen und
diese zu mahnen, ihren Gürtel etwas enger
zu schnallen. Wir finden hier eine wohlbekannte
und gut erprobte Strategie: Divide et impera,
spalte und herrsche! Die Lohnabhängigen
schweizerischer und ausländischer Herkunft,
deren gemeinsames Klasseninteresse eigentlich
eine Vereinigung wäre, werden gespalten
und zueinander in Konkurrenz gesetzt. Das ist
die Herrschaft aller gegen alle, welche sich
heute auf die Ausländer_innen auswirkt,
die aber ganz konkret auch auf andere Kategorien
von Lohnabhängigen ausgedehnt werden soll:
die Frauen, die Arbeitslosen, die Invaliden,
die Jungen etc.
Hin
zu einer weiteren Verschärfung des Ausländergesetzes
(AuG)
Im Falle, dass der Gegenvorschlag
angenommen wird, hat der Bundesrat schon eine
weitere Revision des (neuen) Ausländergesetzes
(AuG) angekündigt. Das wird umso mehr der
Fall sein, wenn die Initiative der SVP siegen
wird. Die Ausschaffungspolitik der beiden Vorlagen
schreibt sich ein in eine Ausdehnung des Utilitarismus
in der Migrationspolitik. Es geht einerseits
darum, die Zwangsmassnahmen für die migrantischen
Arbeiter_innen in der Schweiz zu verschärfen,
andererseits, die Rotation der Arbeitskräfte
zu erhöhen. Es geht weiter auch um eine
drastische Kriminalisierung jeglicher Solidarität:
Im Visier sind hier die Bewegungen, die die
Rechte der Migrant_innen, speziell der Sans-Papiers
verteidigen. Und wie immer in der Asyl- und
Migrationspolitik hierzulande steht das Ziel
im Vordergrund, den Unternehmern eine Reservearmee
von gezähmten, billigen Arbeitskräften
bereitzustellen, die zu Dankbarkeit verpflichtet
werden und sich möglichst nicht zu sehr
in diesem Land einrichten sollen. Damit erschaffen
sich die Unternehmer die Möglichkeit, weiteren
Druck auf die Löhne auszuüben. Für
den Staat geht es um eine Sparpolitik, indem
die ausländischen Lohnabhängigen möglichst
davon abgehalten werden sollen, von ihren sozialen
Rechten wie dem Zugang zu Arbeitslosengeldern,
zu Renten, zur Invaliditätsversicherung
und zur Sozialhilfe Gebrauch machen zu können.
Diese Politik beinhaltet eine Kriegslogik gegen
die Armen und die Bedürftigen, welchen
Pass auch immer sie tragen. Die Ausländer_innen
müssen mal wieder als Versuchs-kaninchen
hinhalten, an denen man Methoden der Prekarisierung
und der Repression ausprobiert, die dann auf
weitere Kategorien von geschwächten Lohnabhängigen
auf dem Arbeitsmarkt ausgedehnt werden.
Wieder einmal fordert man
von der Schweizer Bevölkerung, zwischen
der Pest und der Cholera zu wählen. Da
sagen wir zweimal: Nein, Nein!
Die
Klasseneinheit als Gegengift zum Virus der Xenophobie
und des Rassismus
Angesichts dieser Logik der
Spaltung, der Kriminalisierung und der Repression
schlagen wir vor, ein Bewusstsein und eine Einheit
der Klasse aller Lohnabhängigen in diesem
Land aufzubauen. Diese Aufgabe beinhaltet in
unseren Augen: