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Bilaterale
II |
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Gegen
die Tyrannei der Financiers
Die
Krise des kapitalistischen Europa
und die Sparmassnahmen der Regierungen
Flyer
der BFS - Juni 2010
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Den Lohnabhängigen
Griechenlands stehen harte Zeiten bevor. Die
mit der Wirtschaftskrise von allen Medien
gerechtfertigten Angriffe auf die sozialen
Errungenschaften Griechenlands dienen als
Vorlage für andere EU-Länder.
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Eine griechische Lehrerin,
42 Jahre und Mutter von zwei Kindern, erhält
einen Monatslohn von 1120 Euro (1601 Sfr.).
Seit März 2010 wurden ihr ein Bonus von
208 Euro (400 Sfr.) gestrichen, den sie für
ihre Fremdsprachendiplome erhielt. „Auch
die Beiträge, die ich für die Kinder
erhalte, wird man mir streichen“, sagt
sie und fügt hinzu: „Nicht ich habe
die Staatskassen geleert. Warum sollte ich sie
wieder auffüllen?“
Ein Universtitätsangestellter
aus der Hafenstadt Thessaloniki erzählt
von seinem Sohn, der seine Arbeit bei einer
Informatikfirma verloren hat. „Entweder
arbeitest du für uns als selbstständiger
Unternehmer, oder du verschwindest, hat man
ihm gesagt.“ Übersetzt heisst das:
„Du arbeitest (nur) dann, wenn wir dich
brauchen, und wir bezahlen keine Sozialleistung
für dich.“ Dieses System breitet
sich in allen europäischen Ländern
aus, am stärksten etabliert ist es bereits
in Portugal. Rund 25% der PortugiesInnen gelten
mittlerweile als „eigenständige Erwerbstätige“.
Die Unternehmer weigern sich immer öfter,
echte Arbeitsverträge abzuschliessen. Selbst
der öffentliche Sektor funktioniert so.
Eine
Frage der Akzeptanz
Der derzeit unter Führung
des IWF (mit seinem „sozialistischen“
Präsidenten Strauss-Kahn), der EU-Organe
sowie der (ebenfalls „sozialistischen“)
griechischen Regierung Papandreous (Vorsitzender
der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung
PASOK) stattfindende Angriff gegen die Lohnabhängigen
in Griechenland ist Teil eines allgemeinen „Klassenkrieges“
des Kapitals gegen die Lohnabhänggen.
Am 23. April 2010 schrieb Patrick
Artus, ein Ökonom der Bank Natixis: „Angesichts
des schwachen Wachstums ist der Anstieg der
Unternehmensprofite mehr auf die Kostensenkungen
als auf die Steigerung der Umsätze zurückzuführen.
Eine für die Investoren wichtige Frage
ist, ob ein dauerhaftes wirtschaftliches Gleichgewicht
mit bescheidenem Wachstum und hoher Profitabilität
mit rasch steigenden Aktiengewinnen möglich
ist. Die entscheidende Frage ist, wie hoch die
politische und soziale Akzeptanz einer dauerhaften
Veränderung der Einkommensverteilung zu
Lasten der Lohnabhängigen ist.“
Oder anders gesagt: Die Bekämpfung
des öffentlichen Defizits und der Schulden
sind ein Mittel, um die Ausbeutung der Lohnabhängigen
zu steigern. So kann die Umverteilung des gesellschaftlich
produzierten Reichtums zugunsten einer kleinen
herrschenden Minderheit, einer Art Finanzoligarchie
aufrechterhalten werden. Sie setzt ihre Bedingungen
durch.
Es entscheidet sich also im
Kampf zwischen Kapital und Arbeit, welche Gewinne
die „Investoren” einheimsen können,
und ob es gelingt, die für eine verschärfte
Ausbeutung erforderlichen sozialen und politischen
Voraussetzungen unter Kontrolle zu behalten.
Werden die griechischen Lohnabhängigen
– und diejenigen anderer europäischer
Länder – die geplante „Abmagerungskur”
erdulden, ohne zu reagieren? Oder werden sie
stark genug sein, um die Ziele des Kapitals,
der Banken, Versicherungen und Investmentfonds
zu vereiteln? Sie sind es, die sich hinter dem
allgemeinen Begriff der „Märkte“
verstecken. Es geht um ganz Europa, denn eine
ähnlich brutale Offensive wie in Griechenland
bahnt sich auch in Portugal und Spanien an.
Der
Masterplan
Angesichts der Desinformation
in der Presse ist es nützlich, die wichtigsten
Elemente des Sparplans in Erinnerung zu rufen.
Der auch als Modell für andere Länder
dienende Plan richtet sich sowohl gegen die
Lohnabhängigen des privaten und öffentlichen
Sektors, als auch gegen die Erwerbslosen und
RentnerInnen. Der am 2. Mai 2010 beschlossene
Plan mit der Bezeichnung „aus Tränen
und Blut” sieht folgende Punkte vor:
-
Die Löhne und Renten der öffentlichen
Dienste sind während 5 Jahren eingefroren.
-
Die
Kürzungen der Weihnachts- und Osterprämien
sowie des 13. und 14. Monatslohns führen
im öffentlichen Sektor bei einem Lohn
von 1200 Euro (1716 Sfr.) zu einem Einkommensverlust
von 3000 Euro (4290 Sfr.). Das Jahreseinkommen
sinkt von 24'024 auf 19'734 Sfr.!
-
Der
Regelsatz der regressiven Mehrwertsteuer
wird auf 23% angehoben, nach dem er im März
von 19 auf 21 % erhöht wurde. Der Minimalsatz
(für primäre Bedarfsgüter)
wird ebenfalls steigen. Die Treibstoffsteuern,
die jetzt schon zu den höchsten Europas
gehören, sowie die Tabak- und Alkoholsteuer
steigen ebenfalls um 10% (zum zweiten Mal).
-
Die
Haus- und Immobilienbesitzer, zu denen 80%
der GriechInnen gehören, werden von
der Erhöhung der Grundsteuer betroffen
sein.
-
Bis
2013 wir das Renteneintrittsalter für
Frauen von 60 auf 65 erhöht und damit
dem der Männer angeglichen. Das Rentenalter
67 wird bereits diskutiert. Um eine vollständige
(oft miserable) Rente zu erhalten, muss
nun 40 anstatt 37 Jahre lang einbezahlt
worden sein. Der 13te und 14te Monatslohn
werden gestrichen und durch eine Prämie
von 800 Euro für alle, die weniger
als 2500 Euro erhalten, „ersetzt”.
-
Noch
wichtiger: Die Rente wird neu auf Basis
des Lohneinkommens während des gesamten
Erwerbslebens errechnet. Auf Grund der sehr
tiefen Eintrittsrenten „auf dem Arbeitsmarkt”,
der Arbeitslosigkeit und der kommenden Lohnsenkungen
werden die zukünftigen Renten zwischen
45 und 58% tiefer ausfallen als die heutigen.
-
Die
öffentlichen Ausgaben im Gesundheits-
und Bildungswesen werden um 1,5 Milliarden
gekürzt, womit der Raum für Privatkliniken
und –schulen weiter ausgedehnt wird.
Die Folge wird eine noch stärkere soziale
Diskriminierung sein.
-
Die
öffentlichen Investitionen werden in
ähnlichem Ausmasse gekürzt, womit
der Privatisierung entscheidender Sektoren
Tür und Tor geöffnet werden. Davon
haben vor allem deutsche Konzerne bereits
profitiert.
-
Die
Arbeitsgesetzgebung wird weiter ausgehöhlt
(Entlassungen, Einstiegslöhne für
die Jungen, usw.). Der brutale Sparplan
führt mittelfristig zu einem Angriff
auf gewerkschaftliche Rechte.
-
Die
Massnahmen gegen die Kapitalflucht treffen
die höchsten Einkommen nicht. Ganz
zufällig deklarieren nur rund 5000
griechische BürgerInnen ein Jahreseinkommen
von über 100'000 Euro (143'000 Sfr.).
Das überrascht nicht, wenn man bedenkt,
dass laut Experten griechische Vermögenswerte
im Wert von ca. 36 Milliarden Franken "illegal"
in Schweizer Banken lagern (Sonntag.ch,
2. Mai 2010).
-
Eine
Reduktion der Rüstungsausgaben (2,8%
des griechischen BIP, zum Vergleich: Deutschland
1,3%) hingegen ist nicht vorgesehen, denn
darunter würden die Rüstungsgeschäfte
französischer und deutscher Konzerne
leiden.
Ein derartiger Plan, begleitet
von einer „Hilfe” in der Höhe
von 130 Milliarden während drei Jahren
zu Zinsen von etwa 5%, werden Griechenland in
eine lange Rezession stürzen: Das BIP wird
2010 um 4% sinken, nächstes Jahr um mind.
3,5%. Dies bedeutet: Noch grössere Schwierigkeiten
bei der Begleichung der Zinsschulden, Anstieg
der Arbeitslosigkeit, Verarmung und eine darauf
folgende neue „Sparflut”.
Die Mobilisierung der ArbeiterInnen
Griechenlands, kann andere Ziele verfolgen.
Zuvorderst stehen folgende Forderungen: der
Stopp der Rückzahlung der öffentlichen
Schulden; ein öffentliche Anhörung,
um herauszufinden, wie viele Schulden aus betrügerischen
Geschäften entstanden sind (Siemens beispielsweise
hat die griechische Führungselite stark
umworben, um das Überwachungssystem für
die olympischen Spiele 2004 liefern zu können);
die steuerliche Repatrierung der griechischen
Konzerne, die in Steuerparadiese ausgewandert
sind; ein Informationsaustausch über die
in der Schweiz lagernden Vermögen; das
Ende der Begünstigung des grössten
Grundeigentümers, der orthodoxen Kirche;
usw.
Durch ihre Mobilisierungen
können die griechischen Lohnabhängigen
eine Road Map erarbeiten, die zum roten Faden
für soziale Kämpfe in ganz Europa
werden kann.
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