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Euro-Krise
wird sich 2012 verschärfen
von
Jakob Schäfer - aus Avanti Nr. 194, Januar
2012
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Zum
Jahreswechsel deuten die wesentlichen Indikatoren
auf eine deutliche Konjunkturabkühlung
oder gar Rezession hin. Damit tritt mit höchster
Wahrscheinlichkeit die weltweite Überproduktionskrise,
die 2007 in den USA ihren Anfang nahm, in ihr
zweites Tief ein. |
Das kurze Zwischenhoch von
Ende 2009 bis Frühjahr 2011 war nicht auf
einer strukturellen Erholung der kapitalistischen
Wirtschaft aufgebaut, sondern lediglich kreditfinanziert.
D. h. die Schulden, die die meisten Staaten
in dieser Zeit anhäuften, um ihre Banken
und Konzerne zu retten, sind jetzt ein die Krise
verschärfendes Moment, die Staatsschuldenkrise
somit ein wesentliches Moment für die Ausformung
des zweiten Tiefs, also des berühmten „double
dip“ dieser großen Krise.
Die Herrschenden in Europa
(also das Kapital und seine Regierungen) erklären
die Krise damit, dass die GriechInnen,
ItalienerInnen usw. „über ihre
Verhältnisse gelebt haben“. Dem widerspricht
schon die einfache Beobachtung, dass dem griechischen
Staat im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts
die Kredite von den Banken regelrecht aufgedrängt
wurden, einfach weil diese sich davon gute Profite
versprachen und sie das Geld in der sogenannten
Realwirtschaft gar nicht ausreichend anlegen
konnten. Sie verließen sich darauf, dass
im Notfall der Staat einspringt.
Banken
sind selbst in der Krise
Im Gegensatz zu vielen Darstellungen
in den Medien oder durch Lafontaine, Attac und
andere „GlobalisierungskritikerInnen“
oder auch erklärte Linke sind nicht die
Banken oder gar die SpekulantInnen die
VerursacherInnen der Krise. Die Banken
stecken aufgrund der Verwertungsschwierigkeiten
des Kapitals selbst in der Krise. Wenn wir nicht
dem Zinsfetisch aufsitzen, dann müssen
wir klar festhalten, dass der Zins ein Teil
des Profits ist, der in der Warenproduktion
anfällt, also an die Geld verleihende Institution
abgeführt werden muss und damit den Profit
schmälert, der in der Warenproduktion erzielt
wurde, der einzigen tatsächlichen Quelle
für Kapitalprofite. Da der erste Abschwung
der Krise (das erste „dip“ des „double
dip“), also die Phase von 2007-2009 nicht
wirklich die Probleme der Überproduktion
gelöst hat, sondern diese Probleme nur
mit (staatlich finanzierten) Krediten verdeckt
wurden, sind die Widersprüche nur vergrößert
worden. Es war deshalb nur eine Frage der Zeit,
bis den Banken erneut das Wasser bis zum Hals
steht. Der Staat hat nämlich jetzt nur
noch beschränkte Mittel und kann die Bankenrettungs-
und Konjunkturprogramme von 2008/2009 nicht
im selben Umfang wiederholen.
Da die drastischen „Sparprogramme“
die Wirtschaft in den besonders von der Krise
geschüttelten Ländern Portugal, Irland,
Italien, Griechenland und Spanien (PIIGS) weiter
abgewürgt haben, sind die Rückzahlungserwartungen
für Kredite, die diesen Staatshaushalten
zur Verfügung gestellt wurden, seit dem
Sommer 2011 weiter dramatisch gesunken. Die
Europäische Bankenaufsicht (EBA) musste
deshalb die notwendige Kernkapitalquote (Anteil
der durch Eigenmittel gedeckten Aktiva, bes.
der Kredite) der Banken von 5 % auf 9 % erhöhen.
Was mit Sicherheit immer noch zu niedrig ist.
Die EBA war deshalb noch im August 2011 von
einem Kapitalbedarf der europäischen Banken
von 80 Mrd. € ausgegangen. Im Oktober musste
sie diesen Bedarf bereits auf 106 Mrd. €
taxieren und Anfang Dezember 2011 auf 115 Mrd.
€. Allein die 6 deutschen Großbanken,
die den Stresstest nicht bestanden, haben einen
aktuellen Kapitalbedarf von 13,1 Mrd. €
(Commerzbank 5,3; Deutsche Bank 3,2, Nord LB
1,7 usw.). Im Oktober 2011 hatten diese Banken
noch einen Bedarf von „nur“ 5,2
Mrd. €.
Die 90 wichtigsten europäischen
Banken müssen in den nächsten 2 Jahren
5,4 Billionen € Schulden refinanzieren
(das entspricht 45 % des BIP der EU!). Und da
die Rückzahlung von fälligen Schulden
immer wieder stockt, kommen diese Banken in
wachsende Schwierigkeiten, denn 80 % der Staatsschulden
Griechenlands, Italiens, Spaniens, Portugals
und Osteuropas werden von europäischen
Banken gehalten. Allein Italien hat heute 1,9
Billionen € Schulden, das ist mehr als
das Doppelte der Schulden von Griechenland,
Irland und Portugal zusammen genommen. Immer
noch muss Italien für neue Anleihen 6 %
und mehr Zinsen vereinbaren. Das kleine Griechenland
braucht bis 2020 nominell 252 €, werden
aber die Refinanzierungskosten mitgerechnet,
dann sind es 444 Mrd. €. Dabei sind noch
nicht mitgerechnet die Folgen der niedergehenden
Volkswirtschaft aufgrund der drakonischen Sparpolitik,
die die Troika (EU, EZB und IWF) dem Land aufoktroyiert
hat.
Auch von „außen“
kommt keine Hilfe, denn China hat genug eigene
Probleme und wird sich hüten, in der gegenwärtig
unsicheren Lage massenhaft Geld in der Euro-Zone
in Staatsanleihen anzulegen. Das Gleiche gilt
für Russland. Auch Brasilien zahlt noch
nichts in die Sammelbüchse ein. Das hat
zur Folge, dass der XXL-Rettungsschirm, also
das Hochhebeln von Krediten des EFSF (wie im
Oktober beschlossen) nicht funktioniert.
Nationalstaatliche
Interessen
Im Gegensatz zu den fast einhelligen
Darstellungen der Regierungen der Euro-Zone
und praktisch der Gesamtheit aller Mainstreammedien
hat die britische Regierung auf dem EU-Gipfel
am 9.12. sehr wohl rational – und von
ihrem Standpunkt aus vernünftig –
gehandelt, und zwar aus zwei Gründen:
Erstens ist der Ausgang der
Rettungsmaßnahmen mehr als ungewiss und
warum soll Großbritannien sich an der
Euro-Rettung beteiligen, wenn es selbst genug
eigene Probleme hat? Im ersten Teil der Weltwirtschaftskrise
(also 2008/2009) pumpte die Bank of England
200 Mrd. £ in die britische Wirtschaft.
Jetzt sollen noch einmal 75 Mrd. £ reingebuttert
werden. Deswegen beträgt heute die Inflation
in GB schon 5 %. D. h. GB hat aufgrund der großen
Zahl eigener notleidender Banken (allen voran
HSBC; Barclays, RBS und Lloyds) Milliardenschulden
aufgenommen. Die Regierung muss sich deswegen
in den nächsten 5 Jahren 130 Mrd. €
(111 Mrd. £) leihen. Der Durchschnittsbrite
hat heute schon 2915 € im Jahr weniger
zur Verfügung, als noch 2008. 20 % der
16-24jährigen sind heute erwerbslos. Die
Wirtschaft insgesamt ist in einem miserablen
Zustand.
Zweitens kommt hinzu, dass
die britische Wirtschaft in der Tat anders strukturiert
ist als etwa die deutsche oder französische
Wirtschaft. Die britische Industrie hat im Verlauf
der letzten Jahrzehnte sehr viel an Konkurrenzfähigkeit
und damit an Marktanteilen verloren. Der Weltmarktanteil
der britischen Exporte betrug 1994: 5,3 %, 2009
aber nur noch 3,1 %. Wird der Beitrag des Finanzsektors
mitgerechnet, sind es aber 4,6 %. GB ist nämlich
der zweitgrößte Exporteur kommerzieller
Dienstleistungen (bei den Waren liegt GB nur
an siebter Stelle). Der Finanzsektor in GB „erwirtschaftet“
9,5 % des BIP (in Deutschland: 4 %). Dies sind
die „besonderen“ Interessen, die
die britische Regierung schützt.
Wenn es also hart auf hart
kommt, wird die jeweilige Regierung eines Landes,
den Wünschen aus Brüssel gegebenenfalls
nicht folgen. Die Interessen der jeweils eigenen
Bourgeoisie gehen in jedem Fall vor, ganz gleich
welcher „europäische Gedanke“
von den jeweils übrigen EU-Staaten beschworen
wird. Die schwächeren EU-Staaten haben
sich vorläufig dem Druck aus Berlin-Paris
gebeugt und gemeinsam die Schuldenbremse als
Ziel vereinbart. Aber es ist nur eine Frage
der Zeit, bis ihnen das Wasser so bis zum Hals
steht, dass diese Vereinbarungen nur Schall
und Rauch sind und sie ihre nationalen Interessen
in den Vordergrund stellen und sich gegebenenfalls
untereinander (gegen die Berliner Diktat-Politik)
verbünden.
Schon fünf Tage später
(am 14.12.2011) waren die ersten Absetzbewegungen
von den Brüsseler Beschlüssen festzustellen:
Die Regierungen in Ungarn, Tschechien, Dänemark
und Finnland haben zu Hause enorme Schwierigkeiten,
ihre Unterwerfung unter das Merkozy-Diktat zu
rechtfertigen. Die Gründe dafür liegen
übrigens in den sehr entgegengesetzten
Interessen etwa Ungarns und Finnlands. Im Grunde
steht die Merkel-Politik vor einem totalen Desaster.
Die EU ist kein Staat
Die Schwierigkeiten der EU
konnten auf dem Gipfel vom 9.12.2011 in keiner
Weise gelöst werden:
-
Die Ausdehnung und Verschärfung der
Sparpolitik (durch Aufdrücken der Schuldenbremse
nach deutschem Vorbild) wird die Krise dort
schon in Kürze verschärfen.
-
Die institutionellen Veränderungen
zur Durchsetzung der am 9.12. gefassten
Beschlüsse sind sehr unklar und in
keiner Weise gesichert. Deswegen werden
die Analysten (egal ob von Ratingagenturen
oder von den Banken oder institutionellen
Anlegern) schon sehr bald die Kreditwürdigkeit
der betroffenen Staaten wie auch der Euro-Zone
insgesamt herabstufen. Das Verfahren läuft
bekanntlich schon und es gibt keine Aussicht
darauf, dass sich die Bedingungen in den
nächsten drei Monaten bessern.
-
Deutschland ist zwar relativ dominant innerhalb
der Euro-Zone und der Gesamt-EU, aber eben
nur relativ, nicht absolut vorherrschend.
Dazu fehlen der BRD die Mittel, vor allem
ökonomischer Natur. Diese Einschätzung
wird dadurch belegt, dass auch für
die BRD die Bestnote an Kreditwürdigkeit
(also AAA) inzwischen in Gefahr ist. Auch
in Deutschland steigt der Schuldenstand
und hat inzwischen 80 % des Umfangs des
BIP erreicht. Das Haftungsrisiko Deutschlands
für die PIIGS-Staaten beträgt
inzwischen 564 Mrd. € (nur zum Vergleich:
Der Bundeshaushalt 2012 soll gerade mal
306 Mrd. € betragen.
Mit anderen Worten: Da
die EU real keine Transferunion ist, können
hier nicht die Mechanismen greifen, die zurzeit
noch in den USA ausreichend funktionieren. Denn
Kalifornien z. B. ist ähnlich hoch verschuldet
wie Japan, wird aber von der Zentralregierung
ausreichend gestützt. Japan ist im Moment
mit 220 % (gemessen am BIP) verschuldet. Es
steht nur deswegen nicht so sehr im Fokus der
internationalen Beobachtung, weil die Schulden
zu 95 % von inländischen KreditgeberInnen
gehalten werden.
Andererseits ist die Verflechtung
der Volkswirtschaften der EU-Staaten so groß,
dass auch vom deutschen Kapital nicht einfach
auf die übrigen verzichtet werden kann.
Selbst die USA haben ein großes Interesse
an einem weiter funktionierenden Euro, weil
ein Zusammenbruch unabsehbare Folgen hätte.
Ein Fünftel der US-Ein- und Ausfuhren werden
mit der EU abgewickelt. Das US Kapital hat 2,2
Billionen $ in Europa investiert, Europa in
den USA 1,7 Billionen (davon allein deutsche
Unternehmen 213 Mrd. $).
Welche
Lösung?
Selbst in bürgerlichen
Kreisen (einschließlich einiger Mainstreammedien,
am deutlichsten Der Tagesspiegel online 4.12.2011)
ist im Prinzip bekannt, dass die von Merkozy
aufoktroyierte Kürzungspolitik die Probleme
der betroffenen Länder nur verschärft.
In Griechenland beispielsweise wird aber bezeichnenderweise
gerade nicht etwa am Rüstungshaushalt gespart.
Griechenland hat – bezogen auf die Bevölkerung
– den größten Wehretat aller
EU-Staaten und erst recht bezogen auf das BIP,
nämlich 4,3 % (Deutschland 1,7 %). Die
gewaltigen Waffenkäufe werden zu 30 % bei
deutschen Rüstungsfirmen getätigt.
1990 – 2008 kaufte Griechenland Kriegsmaterial
für 75 Mrd. €, allein von 2005-2009
für 11 Mrd. $ (in absoluten Zahlen liegt
Griechenland an fünfter Stelle aller Rüstungsimporteure).
Anders ausgedrückt: Griechenland stellt
0,2 % der Weltbevölkerung, tätigt
heute aber 4 % aller Rüstungskäufe.
Die wichtigsten Lieferanten: Thyssen-Krupp-Marine
Systems, Krauss-Maffei-Wegmann und HDW (U-Boote).
Was
haben die Herrschenden stattdessen auf dem Plan?
a. Die Euro-Bonds,
wie sie von einem wachsenden Teil der europäischen
Bourgeoisie – und in Deutschland von einer
Minderheit der Bourgeoisie sowie von SPD und
Grünen – gefordert werden, kommen
vorläufig nicht zum Zug. Sie würden
die Kredite in Deutschland verteuern und damit
auch die deutschen Unternehmen mehr belasten
(die deutsche Industrie zahlt seit Ausbruch
der Krise bisher 1,5 bis 2 % weniger Zinsen
an ihre Hausbanken als beispielsweise italienische
Unternehmen). Den Wertverfall anderer Staatsanleihen
würde es aber verlangsamen und damit die
Krise nicht so schnell zuspitzen. Frankreich
hätte nichts gegen diese Variante, aber
das deutsche Kapital hofft, sich diesen Schritt
ersparen zu können. Stellvertretend für
die Minderheit der deutschen Bourgeoisie sei
hier aus der Süddeutschen Zeitung vom 10.12.2011
zitiert: „[Holger Schmiedig, Chefvolkswirt
der Berenberg-Bank:] „Die schlechte Nachricht:
Es gibt keine positiven Überraschungen.“
Wenn die Europäische Zentralbank (EZB)
sich weiter weigere, in großem Stil Anleihen
schlingernder Euro-Länder aufzukaufen,
sei das Risiko sehr groß, dass das Gipfelergebnis
die Finanzmärkte nicht dauerhaft beruhigen
könne. Diese Meinung ist am Finanzmarkt
weit verbreitet, wo sich viele KapitaleignerInnen
eine große Lösung gewünscht
hätten, die sogenannte Bazooka, also Feuer
frei für die EZB oder gemeinsame europäische
Anleihen, für die alle Staaten haften.“
b. Die Elite-Bonds
sind ein Mittel zur Etablierung einer EU der
zwei Geschwindigkeiten, letztlich ein Abhängen
„unliebsamer“ (weil zu schwacher)
Volkswirtschaften. Da zurzeit gerade die deutsche
Industrie extrem stark vom Euro profitiert (die
eigene Währung müsste sonst um mindestens
15 % aufgewertet werden, was die Exporte bedeutend
erschweren würde), wird eine Gefährdung
des Euro vom deutschen Kapital und seiner Regierung
zurzeit nicht favorisiert und damit auch nicht
die Elite-Bonds, weil dies das Auseinanderbrechen
der Euro-Zone und letztlich der EU heftig befördern
würde.
c. Ein Ausstieg
eines einzelnen Landes aus der Euro-Zone ist
ebenfalls schwer umsetzbar. Dann müsste
das europäische Bankensystem massiv gestützt
werden. Als erste Folge gäbe es einen unmittelbaren
Kapitalbedarf von 92 Mrd. €.
d. Die Kernkapitalquote
der Banken erhöhen, sodass der Staat nicht
einspringen muss, ist aus den o. g. Gründen
nicht umsetzbar, denn schon der letzte Stresstest
(Anfang Dezember 2011) hat einen Finanzbedarf
von 115 Mrd. € ausgewiesen, von denen niemand
weiß, wo sie herkommen sollen, wenn nicht
von den Staaten, die aber selbst pleite sind.
e. Fortsetzung
der Merkozy-Politik, die letztlich nur heißt:
Den EFSF im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten
seitens der stärkeren EU-Länder mit
etwas mehr Geld ausstatten, was aber niemals
reichen wird, um etwa ein notleidendes Italien
zu stützen. Ansonsten: Abwarten und die
Zwischenzeit dafür nutzen, nach Möglichkeit
die Souveränitätsrechte der schwachen
EU-Länder einzuschränken und ihr Haushaltsrecht
unter Kuratel zu stellen.
In jedem Fall aber wird die
allgemeine Verschärfung der Kürzungspolitik
nicht ausreichen, die Haushaltskrisen zu beheben
oder gar die Kapitalrenditen zu sanieren. In
der engeren Wahl stehen damit für die Herrschenden
nur zwei Grundvarianten: Entweder möglichst
schnell auf die Euro-Bonds setzen, weil für
diese Lösung jeder weitere Zeitverzug die
Sache noch teuerer macht. Dies wird zwar nur
Zeit kaufen, aber wenigstens vorläufig
etwas Luft verschaffen. Oder aber man setzt
auf Gelddrucken.
Am wahrscheinlichsten ist,
dass über kurz oder lang die EZB mehr und
mehr Bankfunktionen übernehmen wird. Da
werden die eigenen Bestimmungen und auch der
Vertrag von Lissabon (der dies verbietet) keine
Rolle mehr spielen. Aber egal, ob diese Variante
oder die Variante der Euro-Bonds: Mit beiden
hat die FDP von ihrem Selbstverständnis
her gewaltige Probleme. Die Merkel-Regierung
steht damit kurz vor dem Offenbarungseid. Hilfe
kann dann von der SPD kommen, denn sie setzt
(zusammen mit den Grünen) schon länger
auf die Euro-Bonds, also die „Lösung“,
die etwas weniger auf die kurzfristigen Interessen
des deutschen Kapitals setzt (den Zins für
deutsche Anleihen und Kredite in Deutschland
niedrig halten), dafür aber mehr auf die
längerfristigen Interessen: Mit schnellerem
Einführen der Euro-Bonds (und erweiterter
Bankaktivitäten der EZB) den Euro insgesamt
retten, weil er für das deutsche Exportkapital
von strategischer Bedeutung ist.
Dieser Weg wird darin bestehen,
massiv Staatsanleihen aufzukaufen (und damit
die realen Zinsen am Markt etwa für griechische,
italienische, spanische und portugiesische Anleihen
zu senken). Aber dafür muss die EZB letztlich
in großem Ausmaß Geld drucken, was
zwangsläufig eine Entwertung des Euro zur
Folge haben wird. Die stärkere Inflation
ist damit vorprogrammiert, denn diesen neu gedruckten
Euro (bzw. elektronisch zur Verfügung gestellte
Euro) stehen keine realen Werte gegenüber.
Die Inflation wird vor allem
die Nicht-Sachwertebesitzer treffen, also vornehmlich
die lohnabhängige Bevölkerung und
ganz besonders die Empfänger von Transferzahlungen:
Erwerbslose, Studierende, Kranke, aber eben
auch die zwanzig Millionen RentnerInnen.
Für die ArbeiterInnenbewegung
muss vor diesen Hintergründen klar sein,
dass mit den von den Herrschenden präsentierten
Modellen nur zwischen Pest und Cholera gewählt
werden kann.
Welche
Alternativen?
Zunächst müssen
wir festhalten, dass grundsätzlich all
diesen Schulden auf der anderen Seite Guthaben
gegenüberstehen. Die bisherigen Bankenrettungsprogramme
waren in erster Linie Programme zur Rettung
des dort angelegten Kapitals. Laut World Wealth
Report verfügen die europäischen Multimillionäre
über 10 Billionen Euro. Vor 13 Jahren waren
sie nur halb so reich! Und: Damit sind noch
nicht die nicht flüssigen Vermögen
der „einfachen“ Millionäre
erfasst. Die Staatsverschuldung aller (!) EU-Länder
zusammengenommen liegt nur knapp über diesen
10 Billionen €.
Die Kluft zwischen Reich und
Arm wächst weltweit, in Deutschland sogar
besonders stark. Von einem Beitrag der Reichen
zur Behebung der Krise ist aus prinzipiellen
Gründen nicht die Rede. Es handelt sich
schließlich um eine Klassenfrage: Die
Klasse der Kapitalbesitzenden und Reichen möchte
den Gedanken der Umverteilung gesellschaftlichen
Reichtums gar nicht erst aufkommen lassen. Das
Elend muss innerhalb der Besitzlosen umverteilt
werden. Die sollen doch bitte nicht auf dumme
Gedanken kommen.
Parallel zur Verarmung breiter Bevölkerungsschichten
sind auch die Staaten ärmer, sprich mittelloser
geworden. 2008 lag die Staatsquote um 5 % niedriger
als 1999.
Aus alledem leiten sich folgende
Sofortforderungen beziehungsweise Kampfziele
ab, für die es zu streiten gilt.
-
Moratorium: Stopp jeglicher Schuldendienstzahlungen
aus öffentlichen Haushalten, ganz gleich
in welchem Land.
-
Schuldenaudit:
Klärung, welche „Forderungen“
legitim sind. Legitim sind in unsren Augen
nur die Forderungen, die sich aus Einzahlungen
der lohnabhängigen Bevölkerung
(zur Altersvorsorge etc.) ergeben. Nur sie
sind abzusichern und zwar über eine
einzurichtende, europaweit tätige einzige
Bank in öffentlichem Eigentum. Sie
muss zentral wie auch dezentral von den
dort Beschäftigten und den einfachen
Bankkunden kontrolliert werden. Dazu braucht
es:
-
Die
entschädigungslose Enteignung (Vergesellschaftung)
der Banken und Beschlagnahmung des Reichtums
der MillionärInnen.
-
Stopp aller Waffenlieferungen, anzufangen
bei Griechenland, sowohl aus Kostengründen,
wie auch, weil diese Waffen im Zweifelsfall
gegen eine rebellische werdende eigene Bevölkerung
eingesetzt werden.
Klassenfrage
Wenn die europäische
ArbeiterInnenbewegung sich nicht –
und zwar möglichst bald gemeinsam –
für ein solches Programm engagiert, dann
gibt es nur zwei mögliche Weiterentwicklungen:
Entweder es kommt – mittels
Gelddrucken der EZB – zu einer beträchtlich
ansteigenden Inflation, deren Kosten hauptsächlich
die Lohnabhängigen und die Armen zu tragen
haben. Oder aber es kommt zu einem gewaltigen
Zusammenbruch ganzer Wirtschaftszweige oder
auch ganzer Volkswirtschaften. Eine solche „Bereinigungskrise“
für das Kapital hätte riesige Entlassungswellen
und eine beträchtliche Verarmung breiter
Bevölkerungsschichten zur Folge. Den Kopf
in den Sand zu stecken, wie es vor allem die
Führungen des DGB und seiner Einzelgewerkschaften
tun, ist absolut verheerend. Zeit, dass sich
etwas von unten tut.
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