Die
Beschäftigten von Allpack haben die Angst
überwunden, die so viele KollegInnen am
Arbeitsplatz kennen. Der erste Schritt war eine
Petition, die sie unterschrieben haben. Danach
kamen der Entscheid zu streiken, der Streik
selbst und dann tagtäglich die Entscheidung,
den Streik weiterzuführen. Nach dem Angriff
der Polizei am 1. Dezember haben die Beschäftigten
ihren Mut noch bekräftigt, indem sie einstimmig
beschlossen, weiterhin zu streiken. Comedia
hat diese Mobilisierung von Anfang an unterstützt,
indem der Streikfonds dafür geöffnet
und ein Teil der Infrastruktur und des Personals
bereitgestellt wurden.
Streik
– Ein Erfolg für die Streikenden
Öffentlich
das Wort ergreifen, Fragen von JournalistInnen
beantworten, ihren Standpunkt gegenüber
der Unternehmensleitung und der Regierung vertreten:
All dies haben die Streikenden in den Tagen
des Streiks getan. Vor dem Streik wäre
dies für sie unvorstellbar gewesen. Diese
zehn Tage des kollektiven Kampfes haben die
Streikenden weitergebracht. Weil sie solidarisch
waren, konnte jedeR von ihnen an Mut und Selbstvertrauen
gewinnen und neue Fähigkeiten entwickeln.
Trotz Mängel und Kommunikationsschwierigkeiten
ist es den Streikenden gelungen, eine solidarische
Bewegung aufzubauen. Dank ihnen konnten all
jene, die den Streik vor Ort unterstützt
haben, reichhaltige Erfahrungen für zukünftige
Auseinandersetzungen sammeln. Die Streikenden
haben allen Beschäftigten in der Schweiz
gezeigt, dass es möglich ist, gemeinsam
gegen die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen
zu kämpfen. Besser als alle Reden haben
sie bewiesen, dass der Streik ein legitimes
Mittel zur Verteidigung der Interessen aller
Beschäftigten ist.
Mediation
und beteiligte Akteure
Kaum
je dauert ein Streik so lange wie derjenige
bei Allpack. Indem er die Streikenden entliess
und eine Intervention der Polizei gegen den
Streik veranlasste, ist der Unternehmer verantwortlich
für die Verhärtung des Arbeitskonflikts.
Hinzu kam der Angriff des Produktionsleiters
gegen einen Streikenden mit Pfefferspray. Angesichts
dieser Gewalt des Unternehmers und seiner Handlanger
wurde es für die Streikenden immer schwieriger,
sich eine Zukunft in diesem Betrieb vorzustellen.
Die Regierung des Kantons Baselland trägt
ebenfalls eine grosse Verantwortung in Bezug
auf die Eskalation des Konflikts. Sie hat den
Einsatz der Polizei befohlen, eine Bewilligung
für Nachtarbeit erteilt, bei der Demonstration
in Liestal ein völlig unverhältnismässiges
Polizeiaufgebot veranlasst und somit von Anfang
an klar für den Unternehmer Partei ergriffen.
Die Kritik am Polizeieinsatz in den Medien,
die beträchtliche Mobilisierung an der
Demonstration in Liestal und das steigende Interesse
der Öffentlichkeit machten es für
die Regierung immer dringender, den Streik zu
beenden. In dieser Logik hat der Regierungsrat
am 3. Dezember eine Mediation vorgeschlagen.
In einer vorschnellen Reaktion hat Comedia diese
Logik unterstützt und vorgeschlagen, die
Blockade des Unternehmens während der Mediationssitzung
zu lockern. Zu diesem Zeitpunkt waren das Interesse
und die Sympathie der gesamten Deutschschweizer
Presse für den Streik sehr gross. Auch
hatte die Demonstration in Liestal die Position
der Streikenden gestärkt. Über die
Frage, wie diese Sympathie am besten zu nutzen
sei, traten zu diesem Zeitpunkt Meinungsverschiedenheiten
auf.
Es wurde eine Verhandlungsdelegation ernannt,
zum einem Teil durch die Streikenden und zum
anderen Teil durch die Geschäftsleitung
von Comedia. Die Verhandlungen unter Vermittlung
von zwei Mediatoren haben von 20 Uhr bis 3.30
Uhr in der Nacht gedauert. Das Resultat entsprach
der Absicht der Regierung, den Streik so schnell
wie möglich zu beenden. Die Einigung enthielt
folgende Abmachungen: Sofortige Beendigung des
Streiks, Aushandlung eines Gesamtarbeitsvertrags
und Aufrechterhaltung der Entlassungen ohne
jegliche Entschädigung für die Streikenden,
die für die Dauer der Kündigungsfrist
freigestellt werden. Über Annahme oder
Ablehnung der Einigung mussten die Streikenden
unmittelbar nach den Verhandlungen zwischen
4 und 7 Uhr morgens entscheiden. Die an den
Verhandlungen beteiligten Gewerkschafter waren
mehrheitlich der Meinung, dass die Einigung
angenommen werden solle.
Erste Bilanz
Die
Streikenden haben bis am 2. Dezember die Kontrolle
über ihren Streik behalten. Am Abend der
letzten Verhandlungen wurde ihnen – im
entscheidenden Moment – diese Kontrolle
faktisch entzogen. Sie wussten, dass im Fall
einer Ablehnung der Einigung von ihrer Seite
der Streik nicht wie bis anhin hätte weitergeführt
werden können, denn die Unterstützung
der Gewerkschaft war nicht mehr im selben Umfang
gegeben. Als Gründe für eine Annahme
der Einigung wurden verschiedene Aspekte genannt.
Einerseits gab es Zweifel bezüglich der
vorhandenen Kräfte, um diesen Kampf weiterzuführen,
denn Streikende und GewerkschafterInnen waren
erschöpft. Hinzu kamen Bedenken der Streikenden,
in den Betrieb zurückkehren zu müssen
und die Angst vor einem erneuten Polizeieinsatz.
Und schliesslich waren einige mit der Aussicht
zufrieden, einen GAV aushandeln zu können.
Natürlich war es legitim, alle diese Fragen
anzusprechen, die im Übrigen unterschiedlich
beurteilt wurden. Jedoch hätte das eigentliche
Ergebnis der Verhandlungen genauer beurteilt
werden müssen. Der in der Einigung vorgesehene
Gesamtarbeitsvertrag wird unter erschwerten
Bedingungen ausgehandelt werden müssen,
denn die aktiven GewerkschafterInnen wurden
ja fast alle entlassen.
Die entlassenen Streikenden müssen für
einen legitimen gewerkschaftlichen Kampf einen
sehr hohen Preis zahlen. Für sie beginnt
ein doppelter Kampf: Vor Gericht gegen die missbräuchlichen
Entlassungen und auf dem Arbeitsmarkt für
eine neue Stelle.
Für Comedia ist es notwendig, diese Mobilisierung
und das Ergebnis des Streiks schonungslos zu
bilanzieren. Dies sind wir den Streikenden von
Allpack schuldig, die uns vertraut haben. Bei
einem Streik ist die Zeit ein entscheidender
Faktor – sie arbeitet für uns. Weil
dies vergessen wurde, haben wir eine Einigung
unterzeichnet, die nicht dem Mut und der Entschlossenheit
der Streikenden von Allpack entspricht.
Cécile
Pasche und Denise Chervet |