Es
wurde schon oft angekündigt : das Ende
der ArbeiterInnenklasse. „Die Sozialpartnerschaft
ist der Weg, Klassenkampf, das ist passé“.
Von wegen. Die Streikenden in der Boillat
Swissmetal in Reconvilier haben gezeigt, dass
diese Sprüche Unfug sind und dass ArbeiterInnen
entschlossen sein können, militant zu
kämpfen, „ihre Haut teuer zu verkaufen“
und den aufrechten Gang zu lernen. Die KollegInnen
in Reconvilier haben es gezeigt: Nichts läuft,
wenn wir es nicht wollen. Das ist eine Erfahrung,
die uns Lohnabhängigen in Zeiten von
Flexibilisierung, Entlassungen, Arbeitslosigkeit,
Kahlschlag und Sozialabbau aufhorchen lässt.
Der
Kampf in der Boillat Swissmetal muss als beispielhaft
und zukunftsweisend bezeichnet werden –
ungeachtet seines Ausgangs.
30
Tage lang haben die ArbeiterInnen gestreikt.
Die Art ihres Kampfes ist ebenfalls von grösster
Bedeutung: die Weiterführung des Streiks
wurde von Tag zu Tag erneut, kollektiv beschlossen.
Mit der Besetzung der Fabrik und einem militanten
Schutz der von den ArbeiterInnen produzierten
Lagerbestände wurde verhindert, dass diese
von der Firma abgeholt und veräussert werden
konnten. Schliesslich haben die Lohnabhängigen
der Boillat dem Druck und den Vergeltungsmassnahmen
der Firmenleitung (Ankündigung von 120
Entlassungen; Rausschmiss der Kader; Entlassung
von Nicolas Wuillemin, dem Repräsentanten
der Beschäftigten; gerichtliche Entscheide,
die darauf abzielten, die Fabrikblockaden zu
verbieten, usw.) mit Mut standgehalten. Selbstaktivität
und –organisation der Beschäftigten
waren dafür entscheidend.
Worum
es den ArbeiterInnen bei dieser Auseinandersetzung
ging und geht, ist klar: die Verteidigung ihrer
Arbeitsplätze, „ihrer“ Bude.
Die Konzernleitung der Swissmetal will in der
Tat wenigstens einen Drittel der Arbeitsplätze
abschaffen und die Aktivitäten der Giesserei
in Dornach, ihr anderer Produktionsstandort
in der Schweiz, konzentrieren. Nichts weniger
als die Zukunft der Boillat steht auf dem Spiel.
Die
Gewerkschaftsführung spielt Martin Hellweg
in die Hände
Was
hat die UNIA-Führung angesichts dieser
Arbeitgeberlogik getan? Was hat sie gesagt?
Hat sie klar gestellt, dass es unakzeptabel
ist, wenn eine verschwindend kleine Minderheit
von Firmenbesitzern die Zukunft von Tausenden
von Familien und einer ganzen Region bestimmt?
Hat sie gesagt, dass die Gewerkschaft den Kampf
erweitern wird, um diese Geldsäcke zum
Verzicht auf ihre Abbauprojekte zu zwingen?
Weit gefehlt! Sie hat in der Tat zur Wiederaufnahme
der Arbeit aufgerufen!
Am
19. Februar hat André Daguet, Mitglied
der UNIA-Geschäftsleitung, in der "SonntagsZeitung"
behauptet: „Jede Woche, ja jeder Streiktag,
der darüber hinausgeht, ist gefährlich.
(...) Heldentum bringt niemanden weiter“.
Dabei stellte zur gleichen Zeit die bürgerliche,
jurassische Zeitung "Quotidien jurassien"
fest, dass „ihre Position (die der Streikenden)
die gleiche wie am ersten Streiktag ist“
und dass „in der ganzen Region mobilisiert
wird“ (20. Februar 2006).
Diese
Haltung der Gewerkschaftsbosse ist keine Überraschung.
Während GewerkschfterInnen vor Ort sich
stark eingesetzt haben, um die Streikenden zu
unterstützen, war die Position der UNIA-Zentrale
angesichts des Streiks von Anfang an zumindest
ambivalent. Als Swissmetal ihre Pläne ankündigte,
insbesondere die Konzentration der Giessereiaktivitäten
in Dornach, diktierte Fabienne Blanc-Kühn,
Mitglied der Geschäftsleitung der UNIA,
dass „ein Streik (...) nicht das ist,
was die Lage deblockieren wird“ (L’Illustré,
23. November 2005). Der Entscheid, eine Streikbewegung
zu starten, ist im übrigen ohne das Wissen
der Gewerkschaftsbosse getroffen worden. Und
während des Konfliktes liessen diese öffentlich
verlautbaren, dass die Fortsetzung des Streiks
ein Problem darstellt.
Genauso
unverzeihbar ist, dass die UNIA-Führung
nichts unternommen hat, um die Solidaritätsbewegung
mit den ArbeiterInnen der Boillat über
die betreffende Region hinaus zu verstärken.
Es wäre entscheidend gewesen diesen Kampf
in eine nationale Angelegenheit zu verwandeln,
um den Druck auf die Besitzer und auf ihren
Bundesrat zu erhöhen: durch einen Aufruf
zur finanziellen Unterstützung der Streikenden
in den Medien der ganzen Schweiz; durch die
Organisation einer grossen Demonstration in
Bern; durch die Schaffung von Unterstützungskomitees
für diesen Streik in allen Städten;
durch die Organisierung von Aktionen an den
Arbeitsplätzen – auch wenn es nur
symbolische Aktionen gewesen wären.
Kurz
gesagt: es wäre unentbehrlich gewesen,
die Isolierung des Kampfes der Boillat zu durchbrechen.
Aber die UNIA-Führer haben nicht einmal
eine Versammlung des Personals des Standortes
von Dornach einberufen! Sicher: Renzo Ambrosetti,
UNIA-Kopräsident, hat am 24. Streiktag
angekündigt, dass „wir sie demnächst
organisieren werden“ (Area, 17. Februar
2006)... Daraus ist natürlich nichts geworden.
Unser
Leben ist wichtiger als ihre Profite!
Es
bleibt zu hoffen, dass die ArbeiterInnen der
Boillat ihren Kampf unter den nun erschwerten
Bedingungen fortsetzen können. Mit dem
Streik wurde ihnen jedoch das entscheidende
Mittel entzogen, um die Abbaupläne von
Martin Hellweg und Konsorten zu bekämpfen
und ihre zentralen Forderungen ein für
allemal durchzusetzen. Die ArbeiterInnen der
Boillat verdienen weiterhin unsere volle Unterstützung
und Sympathie.
Die
30 Streiktage in der Boillat Swissmetal sind
ein Hoffnungszeichen für alle Lohnabhängigen.
Die gemeinsame Mobilisierung bleibt in der Tat
der einzige Weg, um unsere Rechte als Lohnabhängige
und unsere Menschenwürde zu erkämpfen
und zu erhalten. Darüber hinaus zeigt der
Kampf der ArbeiterInnen der Boillat, dass die
Logik der Kapitalakkumulation zutiefst unmenschlich
und unakzeptabel ist. Wie der Fall von Swissmetal
lehrt, unterliegt alles den Erfordernissen nach
maximaler Rentabilität auf Kosten der Beschäftigung,
der Lebensbedingungen der Lohnabhängigen
und der Interessen einer ganzen Region.
Die
Forderung einer anderen Gesellschaft, die auf
die Befriedigung von sozialen Bedürfnissen
gründet, findet im Kampf der ArbeiterInnen
der Boillat eine neue Bestätigung: die
Menschen sind wichtiger als die Profite der
Firmenbesitzer! Die Zukunft der arbeitenden
Menschen und das Recht auf Beschäftigung
und auf gute Arbeits- und Lebensbedingungen
für alle müssen gesamtgesellschaftlich
durchgesetzt und gesichert werden, auf Kosten
der Interessen der Firmenbesitzer.
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