Im
jüngsten Fall, bei dem eine internationale
Großbank mit Samthandschuhen angefasst
wird, geht es (in den Worten von Finanzaufsichtsbehörden)
um kriminelle Aktivitäten von „epischem“
Ausmaß. Erneut wurde der Deckel von der
Jauchegrube gelüftet, die üblicherweise
als Weltfinanzsystem bezeichnet wird.
Die größte
Bank der Schweiz, die UBS, gab diese Woche zu,
systematisch den Referenzzinssatz Libor (London
Interbank Offered Rate) manipuliert zu haben.
Der Libor ist die Grundlage für globale
Zinssätze, die als Maßstab für
Finanzkontrakte in Höhe von Hunderten Billionen
Dollar dienen. Die Bank versuchte, damit ihre
Profite zu erhöhen und ihre finanzielle
Schieflage zu verschleiern.
Das Vorgehen
der UBS führte zu einem Betrug an Hunderten
Millionen Menschen, die Zinsen für Hypotheken,
Kreditkartenschulden, Studienkredite und Ratenverträge
beim Autokauf zahlen. Gleichzeitig trifft es
regelmäßige Investoren wie Pensionsfonds
und staatliche Stellen auf lokaler und nationaler
Ebene, sowie zahllose Millionen Rentner, deren
Einkommen von festen Investments abhängt.
Der Begriff „Diebstahl in großem
Stil“ beschreibt diesen Raubzug nicht
einmal annähernd.
Die UBS
ist nach der Vereinbarung mit Barclays vom Juni
die zweite Bank, die zugibt, Teil eines internationalen
Libor-Fälscherrings gewesen zu sein. Sie
erklärt sich bereit, eine bescheidene Geldstrafe
zu zahlen, damit sie im Gegenzug keine ernsthaften
Erschütterungen befürchten muss. In
beiden Fällen wurde kein einziger hoher
Banker vor Gericht belangt, und die Banken selber
mussten nicht zugeben, kriminell gehandelt zu
haben.
Gegen
mehr als ein Dutzend weitere Banken und Maklerfirmen
in den USA, Europa und Asien laufen ebenfalls
Untersuchungen wegen der Manipulation des Libor,
des Euribor und des Yen Libor. Zu diesen Banken
zählen JPMorgan Chase, Citigroup und die
Bank of Amerika.
Die Manipulation
des Libor ist nur einer in einer endlosen Reihe
von Skandalen, in welche die größten
Banken der Welt verwickelt sind. Darunter fallen
immer wiederkehrende Bilanzfälschungen,
Insiderhandel, die Fälschung von Hypothekenverträgen
und die betrügerische Ausgabe von hypothekenbesicherten
Wertpapieren, wie sie den Finanzkrach von 2008
auslöste.
Es geht
um Finanzhäuser, die mit Billionen Dollar
an öffentlichen Geldern gerettet worden
sind, und die noch heute von den Zentralbanken
mit praktisch kostenlosen Krediten subventioniert
werden. Sie sind die Wortführer, die lauthals
verlangen, den resultierenden Bankrott der Staatshaushalte
durch die Zerstörung von Sozialprogrammen
und die Verarmung der Arbeiterklasse abzuwenden.
Erst letzte
Woche gab die britische Bank HSBC zu, Hunderte
Millionen Dollar mexikanisches Drogengeld gewaschen
zu haben. Auch hier gab es keine juristischen
Folgen für Handlungen, die im mexikanischen
Drogenkrieg zum Tod von Zehntausenden beigetragen
haben, und die weltweit die Städte mit
Drogen überschwemmen.
Im Fall
der Libor-Manipulation durch die UBS hatte das
amerikanische Justizministerium bewusst entschieden,
die Bank selbst nicht vor Gericht zu bringen.
Stattdessen musste sie sich nur in einem eher
geringfügigen Fall von Betrug ihrer japanischen
Landesgesellschaft schuldig bekennen. Das Wall
Street Journal berichtet: „Vertreter des
Justizministeriums erklären, sie hätten
die Muttergesellschaft in Zürich nicht
vor Gericht zitiert, weil sie um ihre Stabilität
gefürchtet hätten.“
Das ist
ein Eingeständnis, dass die großen
Banken nach Belieben Verbrechen begehen können,
weil sie praktisch Immunität vor dem Gesetz
genießen. Die Finanzmafia, die jeden Tag
parasitäre, gesellschaftlich schädliche
und illegale Taten begeht, steht über dem
Gesetz.
Die Gesellschaft
definiert sich immer stärker nach aristokratischen
Maximen: Das Gesetz, das für die einfachen
Sterblichen gilt, gilt nicht für den Geldadel.
Amerika, ebenso wie Europa, Asien und andere
hochindustrialisierte Länder, sind nur
dem Namen nach Demokratien. Das Oxford English
Dictionary definiert „Plutokratie“
als die „Herrschaft der Reichen“.
Kann man ernsthaft bestreiten, dass dies die
Verhältnisse in den Vereinigten Staaten
korrekt beschreibt?
Als Lanny
Breuer, Chef der Kriminalabteilung des Justizministeriums,
die Einigung mit der UBS bekanntgab, versuchte
er, sie als scharfe Zurechtweisung der Banken
zu verkaufen. „Fehlverhalten der Wall
Street können und werden wir nicht dulden“,
erklärte er.
Welch
eine Farce! Der Libor-Betrug entlarvt nicht
nur die Bankenkriminalität, er zeigt auch
anschaulich, in welchem Ausmaß Regierungen
und Finanzaufsichtsbehörden in aller Welt
Komplizen dieser Korruption sind.
Es genügt,
einige Beispiele für die inzestuöse
Beziehung zwischen den Banken und den Aufsichtsbehörden
zu nennen, die sie eigentlich kontrollieren
sollten.
-
Mark Branson, Chef der Bankenaufsicht bei
der schweizerischen Finanzmarktaufsicht,
zog sich als befangen aus der Untersuchung
gegen die UBS zurück. Warum? Weil Branson
gerade in jenen Jahren die japanische Landesgesellschaft
der UBS geleitet hatte, als sie an der Libor-Manipulation
beteiligt war, wegen der sie jetzt auf schuldig
plädiert hat.
-
Robert Khuzami, ein führender Vertreter
der amerikanischen Banken und Börsenaufsicht
(SEC), hat sich aus dem Fall einer viele
Millionen Dollar schweren Bilanzfälschung
bei der Deutschen Bank wegen Befangenheit
zurückgezogen. Warum? Weil er vor seiner
Beschäftigung bei der SEC als oberster
Rechtsvertreter der Deutschen Bank für
ganz Amerika gearbeitet hatte.
-
Stephen Cutler, der gegenwärtig als
führender Anwalt JPMorgan Chase gegen
eine Milliarden-Klage wegen nicht ausgewiesener
Spekulationsverluste vertritt, war früher
ebenfalls an führender Stelle in der
SEC tätig.
-
Timothy Geithner wusste als Präsident
der New York Federal Reserve Bank laut jüngst
bekannt gewordener Dokumente mindestens
seit 2007 von den Libor-Manipulationen.
Er unternahm nichts, um sie zu beenden.
Obama ernannte Geithner zum Finanzminister,
und diese Position hat er immer noch inne.
-
Auch der Gouverneur der Bank von England,
Mervyn King, und sein Stellvertreter Paul
Tucker wurden auf die Libor Manipulationen
aufmerksam gemacht. Auch sie haben in die
andere Richtung geschaut und nichts unternommen.
Tucker belog im Juli einen Parlamentsausschuss,
als er aussagte, bis vor wenigen Wochen
„waren uns keine Informationen über
Unehrlichkeit“ bei der Festsetzung
des Liborsatzes bekannt. Tucker ist immer
noch stellvertretender Gouverneur der Bank
von England.
Die Aufsichtsbehörden,
welche die Banken kontrollieren sollten, stecken
voller ehemaliger Bankenchefs. Sie sind bei
den kriminellen Geschäften der Banken eher
behilflich, als sie zu beenden oder zu verhindern.
Die globale
Finanzaristokratie kann straflos betrügen,
stehlen und plündern, weil sie weiß,
dass eine völlig korrumpierte Politik sie
stützt. Das tagtägliche Funktionieren
des kapitalistischen Finanzsystems hat den Charakter
einer kriminellen Verschwörung gegen die
Bevölkerung angenommen.
Dieses
System kann nicht reformiert werden. Die allumfassende
Kriminalität besteht nicht aus ein paar
„faulen Tomaten“. Illegalität
und Korruption sind von dem System nicht zu
trennen.
Die multimillionen
Dollar schweren Finanzmogule verdienen nicht
den Ruhm als Titanen der Wirtschaft, sondern
sie müssten im Schwitzkasten ins Gefängnis
gebracht werden. Die einzige Lösung für
diesen Zustand ist die Revolution. Die Arbeiterklasse
muss ihre ungeheure Macht mobilisieren, um die
Banken zu enteignen; sie muss sie in öffentliches
Eigentum überführen und demokratischer
Kontrolle unterstellen. |