Das
Ausmass des NEIN (44% der Stimmen) ist Ausdruck
des Protestes breiter Teile der Bevölkerung
gegen die Verschlechterung ihrer Lebens- und
Arbeitsbedingungen. Die sogenannten flankierenden
Massnahmen haben all diejenigen Menschen, die
zunehmend härteren und unsicheren Arbeitsbedingungen
ausgesetzt sind, nicht überzeugt.
Die
vom Bundesrat und der economiesuisse angeführte,
breite Front der rechten und linken Parteien
und der Gewerkschaften hat es nicht geschafft,
einen haushohen Sieg zu erringen, obwohl sie
über enorme Mittel verfügte. Selbst
die massive Schützenhilfe von Christoph
Blocher, vom Unternehmerflügel der SVP
sowie von 17 SVP-RegierungsrätInnen hat
eine grosse Anzahl von NEIN-Stimmen nicht verhindern
können.
Für
den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB)
und die UNIA nähert sich damit der Moment
der Wahrheit. Sie haben wiederholt behauptet,
dass die flankierenden Massnahmen die gewerkschaftliche
Aktion stärken werden. Die Erneuerung des
Gesamtarbeitsvertrages (GAV) der Maschinenindustrie,
der für die Schweiz massgeblich ist, wird
zu einem Lackmustest: Wird dieser GAV endlich
Mindestlöhne einführen? Wird der masslosen
Flexibilisierung der Arbeitszeit Einhalt geboten?
Wird das Lohnniveau verteidigt?
Die
Gewerkschaften haben einen sozialen Frühling
versprochen, wenn das JA gewinnt. Die Lohnabhängigen
(In- und AusländerInnen) werden sich darüber
und über die Gewerkschaftsführungen,
speziell der UNIA, bald ihr Urteil bilden können.
1.
Das Ausmass der NEIN-Stimmen an diesem 25. September
(44%) ist die Reaktion eines Teils der Bevölkerung
auf die Dauerarbeitslosigkeit, die wachsende
Prekarität der Arbeitsplätze, die
verminderte Kaufkraft und die Schwächung
der „sozialen Sicherheit“ für
breite Schichten von Lohnabhängigen.
Die
sogenannten flankierenden Massnahmen haben es
nicht vermocht, denjenigen Vertrauen einzuflössen,
die den ständig härteren Arbeitsbedingungen,
Mietzinserhöhungen und steigenden Krankenkassenprämien
ausgesetzt sind. Diesen Massnahmen hat insbesondere
jene grosse Zahl von Lohnabhängigen misstraut,
welche – weil älter als 50 –
als zu teuer und unrentabel für den „Werkplatz
Schweiz“ angesehen wird.
2.
Die Bewegung für den Sozialismus (BFS/MPS)
hat sich klar für die Personenfreizügigkeit
bei gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit
und gegen die illusorischen, flankierenden Massnahmen
ausgesprochen. Ohne einen wirksamen Kündigungsschutz,
ohne allgemeinverbindliche Gesamtarbeitsverträge
mit Gesetzeskraft, ohne Normalarbeitsverträge
mit Mindestlöhnen und Höchstarbeitzeiten,
kann es keinen Schutz für die Lohnabhängigen
(SchweizerInnen und AusländerInnen) gegen
die Angriffe der Arbeitgeber geben – ob
auf nationaler oder auf europäischer Ebene.
Damit ist eine ausserordentliche Gelegenheit
verpasst worden, dem dünnen schweizerischen
Arbeitsrecht Muskeln zu verleihen.
3.
Der Neinstimmen-Anteil muss im Zusammenhang
mit der massiven Täuschungskampagne für
das JA gesehen werden. Diese ist von den Unternehmerorganisationen,
insbesondere von economiesuisse finanziert und
geleitet worden. Unter ihrer Führung haben
sich alle politischen Kräfte zusammengefunden.
Christoph Blocher, 17 SVP-RegierungsrätInnen
(von 19) und die Unternehmer der SVP haben diese
Einheit gestärkt.
Mit
diesem JA haben die Arbeitgeber und die politischen
Kräfte, die an der Spitze der neokonservativen
Gegenreformen in der Schweiz stehen, gesiegt.
Das
linke JA fügt sich ein in die schweizerische
Politik der Konkordanz und des Arbeitsfriedens.
Diese Politik wird von den Gewerkschaftsführungen
umgesetzt. Und dies zu einer Zeit, wo seit mehreren
Jahren ein „Klassenkampf von oben“
gegen die Lohnabhängigen geführt wird
– um Vasco Pedrina, Ko-Präsident
der UNIA, zu zitieren.
4.
In den kommenden Wochen werden der Schweizerische
Gewerkschaftsbund (SGB), UNIA – die grösste
Gewerkschaft der Schweiz –, die Sozialdemokratische
Partei (SPS) und jene Kräfte, welche sich
diesen Apparaten untergeordnet haben, einem
Lackmustest unterworfen.
Die
Arbeitgeber der Maschinenindustrie wollen den
13. Monatslohn abschaffen, die Arbeitszeit erhöhen,
die Flexibilität beibehalten und die Einführung
eines echten Teuerungsausgleichs ablehnen. Wird
die Gewerkschaft UNIA, welche die Bedeutung
von Gesamtarbeitsverträgen (GAV) als hoch
gepriesen hat, endlich einen Mindestlohn für
die ganze Branche erringen? Wird es zu einer
Mobilisierung und einer politisch-gewerkschaftlichen
Einheitskampagne kommen, um die Arbeitgeber
bei diesem für die Schweiz massgeblichen
GAV zum Nachgeben zu bringen?
Die
Zahl der Normalarbeitsverträge mit einem
Mindestlohn, die in den kommenden Monaten abgeschlossen
werden, wird zusätzlich zeigen, dass die
Gewerkschaftsleitungen die in der Abstimmungskampagne
gemachten Versprechen nicht umsetzen können.
Es
wird sich bald weisen, wie substanzlos die Reden
der SGB-Führung und der „Linken“
waren. Das Misstrauen und die Enttäuschung
der Lohnabhängigen den Gewerkschaften gegenüber
wird sich weiter verstärken. Die nationalistische
Rechte wird davon profitieren.
Eine
Neugründung und Reorganisation der Gewerkschaftspolitik
und der Gewerkschaftsstrukturen wird in diesem
Kontext immer dringender.
5.
Die Arbeitgeber und der Bundesrat haben ständig
betont, dass die BürgerInnen der EU der
25 in der künftigen Einwanderungspolitik
Priorität haben („der polnische Monteur“
ist für sie „katholischer“
als „der türkische Monteur“...!).
Die Politik des „nationalen Vorrangs“
wird auf die EU ausgeweitet, zum Nachteil aller
Lohnabhängigen aus Drittstaaten.
Die
Schlussfolgerung ergibt sich von selbst. Das
Ausländergesetz und das Asylgesetz werden
als neue Einwanderungspolitik dargestellt, die
in der Ausdehnung der sogenannten Personenfreizügigkeit
auf die 10 neuen EU-Staaten ihren Ausdruck findet.
Was
werden SPS und SGB gegen diese zwei ausländerfeindlichen
und diskriminierenden Gesetze unternehmen? Die
nationale Einheit hat sich in der Abstimmungskampagne
verstärkt. Deshalb werden SPS und SGB zögern,
ein Referendum gegen diese verwerflichen Gesetze
zu lancieren. Sie haben in den letzten Monaten
nur ausländerfeindliche Beweggründe
für ein mögliches NEIN am 25. September
unterstellt: Sie werden nun auch in dieser Angelegenheit
einem Lackmustest unterzogen.
6.
Die BFS wird nach ihrer Kampagne für eine
Personenfreizügigkeit mit gleichem Lohn
für gleichwertige Arbeit und gegen die
Illusion dieser flankierenden Massnahmen (die
zu einem NEIN veranlassen mussten), alle konkreten
Initiativen unterstützen, die das Lohn-
und Sozialdumping aufhalten und das neue Ausländer-
und Asylgesetz verhindern kann.
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