Massenwiderstand
in Südeuropa
Dies
wurde zu Beginn des Herbstes mit dem Massenwiderstand
in Südeuropa deutlich. Hunderttausende
demonstrierten am 15. September in Portugals
Städten gegen die brutale Sparpolitik ihrer
Regierung. Die Demonstrationen unter dem Motto
“Zur Hölle mit der Troika, wir
wollen unser Leben zurück!”
waren die grössten Massenproteste in Portugal
seit der Revolution von 1974. Am 29. September
waren in Spanien und Portugal erneut Hunderttausende
auf den Strassen forderten den Rausschmiss der
Troika (EU, Europäische Zentralbank und
Internationaler Währungsfonds) und einen
Generalstreik um die Regierung zu stürzen.
In Madrid war es das dritte Mal innert einer
Woche, dass Zehntausende Demonstranten vor das
Parlament zogen und den Sturz der Regierung
von Ministerpräsident Mariano Rajoy forderten.
Mit äusserst brutaler Gewalt versuchte
die spanische Polizei die Massenproteste zu
unterdrücken.
In Griechenland
vergeht kaum ein Tag ohne grosse Demonstrationen
und Streiks gegen die Abbauprogramme. Allein
letzte Woche waren es mehrere Hunderttausend
die sich in den griechischen Städten versammelten
um ihrer Wut über den sozialen Kahlschlag
Ausdruck zu verleihen. Am Dienstag letzte Woche
begann ein 48-stündiger Generalstreik –
der Dritte innerhalb von sechs Wochen - mit
dem sich die griechischen ArbeiterInnen gegen
die blanke Verelendung zur Wehr setzen. Ämter
der öffentlichen Verwaltung und die Schalter
der Banken und Postfilialen blieben geschlossen.
Der öffentliche Verkehr kam fast vollständig
zum Erliegen. ArbeiterInnen bestreikten erfolgreich
zahlreiche Privatunternehmen sowie die Abfallentsorgung.
An Schulen und Universitäten blieben die
Türen geschlossen.
Europaweiter
Aktionstag gegen die Sparpolitik am 14. November
Der 14.
November wurde vom „Europä-ischen
Gewerkschaftbunds“ (EGB) zum europaweiten
Aktions- und Protesttag ausgerufen, gegen die
desaströsen Spar- und Abbauprogramme und
gegen das Abwälzen der Krisenfolgen auf
die Lohnabhängigen Europas. In Spanien,
Portugal, Griechenland, Malta und Zypern werden
koordinierte Generalstreiks stattfinden. Wieder
werden Hundertausende in ganz Europa auf den
Strassen gegen die Austeritätspolitik der
Regierungen, EU, IWF und Konsorten demonstrieren,
sie wollen das damit verbundene Elend nicht
mehr akzeptieren.
Sie
schlagen Griechenland und meinen uns alle
Die griechische
Bevölkerung ist einer brutalen Verelendung
ausgesetzt. Gegenüber 2010 sank die Summe
aller realen Arbeitnehmerentgelte (Gesamtbruttosumme
aller Löhne und Gehälter der ArbeitnehmerInnen)
um 31,05%. Gegen 500‘000 der insgesamt
zwei Millionen Festangestellten von privaten
Unternehmen haben nach Angaben der griechischen
Arbeitsmarktaufsicht seit drei und mehr Monaten
gar keine Löhne mehr bekommen.
Die Arbeitslosigkeit
liegt bei über 25%, bei den Jugendlichen
ArbeiterInnen ist sie auf mittlerweile 58% gestiegen.
Weil die Arbeitslosenhilfe an den Mindestlohn
gekoppelt ist, sinkt sie von 461 auf 360 Euro.
Sie wird maximal ein Jahr lang gezahlt. Danach
ist Schluss. Nach und nach werden deshalb im
Laufe dieses Jahres jene mehr als 250‘000
Griechinnen und Griechen, die im vergangenen
Jahr ihre Jobs verloren, aus der Arbeitslosenhilfe
herausfallen.
Nach Berechnungen
der EU-Statistik-behörde Eurostat leben
in Griechenland bereits knapp 28% der 18- bis
64-Jährigen an oder unter der Armutsgrenze.
Was das bedeutet, ist auf den Straßen
Athens zu besichtigen. Immer häufiger begegnet
man Menschen, die in Mülltonnen nach Verwertbarem
wühlen oder Abends, wenn die Supermärkte
schließen, die Abfallbehälter vor
den Geschäften nach weggeworfenen Nahrungsmitteln
durchsuchen. 250‘000 Menschen werden Tag
für Tag allein in den Armenspeisungen der
orthodoxen Kirche verköstigt.
"Die
Rezepte des Hungers" - so heißt
ein Buch, das sich in Griechenland zum Bestseller
entwickelt. Die Autorin, die Historikerin Eleni
Nikolaidou hat 18 Monate lang in den Archiven
griechische Zeitungen aus den Jahren 1941-44,
der Zeit der deutschen Besatzung, durchforstet.
In den
Städten Griechenlands riecht es wieder
nach Feuer, Ruß, verbranntem Holz. Viele
Menschen haben kleine Öfen gekauft, weil
sie sich Öl- oder Stromheizung nicht mehr
leisten können. Die Forstvereinigung schlägt
Alarm, dem Land drohe der Kahlschlag. Der Heizölpreis
stieg seit dem Vorkrisenherbst 2009 bis Herbst
2011 um 75%. Also wird weniger geheizt, oder
man setzt eben auf Brennholz. April 2012 sank
die Stromerzeugung zum Juli 2007 um 50%. Die
Steuern werden mit der Stromrechnung eingezogen.
Wer nicht zahlt, dem lässt der Finanzminister
den Strom abdrehen.
30% der
Griechen haben keine Krankenversicherung mehr.
Den Krankenhäusern wurde das Budget um
40% gekürzt, in manchen Kliniken fehlen
sogar Handschuhe und Spritzen. Die Schweizer
Pharmakonzerne liefern nur noch gegen Bares
und verunmöglichen so einem grossen Teil
der griechischen Bevölkerung den Zugang
zu lebenswichtigen Medikamenten.
Das
Kapital der griechischen Reichen – steuerbefreit
oder auf der Flucht…
Während
die griechische Bevölkerung mit den Sparmassnahmen
ins soziale Elend gedrängt wird, wissen
sich Griechenlands Reiche und Superreiche erfolgreich
der Besteuerung durch den Staat zu entziehen.
Sie verlagern ihre Milliardenvermögen ins
Ausland oder bezahlen wie die griechischen Reeder
gar keine Steuern – nicht einen Euro oder
Cent. Unternehmensgewinne von Schifffahrtsgesellschaften
sind in Griechenland per Verfassung vollständig
von Steuern befreit. Ebenfalls vollständig
befreit sind Dividenden oder Gewinnbeteiligungen,
die Reedereien ausbezahlen, sowie Kapitalgewinne
aus ihren Aktien. Dasselbe gilt für in
Griechenland domizilierte Tochtergesellschaften
ausländischer Reedereien. Die Schifffahrtsbranche
ist für Griechenland von überragender
Bedeutung. Griechische Reeder kontrollieren
knapp die Hälfte der gesamteuropäischen
Schifffahrtskapazität. Noch immer ist die
griechische Handelsflotte die bedeutendste der
Welt. Etwa 6% des griechischen Bruttoinlandprodukts
(BIP) werden von der Handelsschifffahrt erwirtschaftet.
Es ist, als würde in der Schweiz beschlossen,
den gesamten Bankensektor vollständig von
Steuern zu befreien.
…mit
Schweizer Hilfe
Im März
2011 schrieb das deutsche Handelsblatt:
„Wer eine Maschine der Swiss von Athen
nach Zürich oder Genf besteigt, trifft
nicht nur Touristen an. In der Businessclass
sitzen meist einige Herren, die offensichtlich
geschäftlich unterwegs sind: bekannte Athener
Anwälte ebenso wie Schweizer Banker, die
gerade vom Kundenbesuch an der Akropolis kommen.“
Die Hauspostille der europäischen Wirtschafts-
und Finanzelite muss es ja wissen. Auf gegen
200 Milliarden Euro wird die Summe der Schwarzgelder
geschätzt welche die griechischen Bonzen
unversteuert auf Konten der Schweizer Banken
horten. Natürlich bestreiten die hiesigen
Banken und offiziellen Stellen die Höhe
dieser Summe, wie sie es schon bei den Schätzungen
der italienischen Schwarzgelder auf Schweizer
Konten getan haben. Die beiden Fluchtgeldamnestien
(Strafnachlass für die Rückführung
von Fluchtkapital) der italienischen Regierung
von 2001 und 2003 spülten dann 90 Milliarden
Euro zurück nach Italien.
Anfang
Oktober gab Coca Cola Griechenland bekannt,
seinen Hauptsitz in die Schweiz verlagern zu
wollen. Zuvor hatte sich die Firma über
die zu hohen griechischen Unternehmenssteuern
beklagt. In der Schweiz hingegen wird sie in
den Genuss kantonaler Steuerprivilegien für
Domizil- und Holdingunternehmen kommen. Wie
eine Studie des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes
kürzlich wieder einmal verdeutlicht hat,
sind solche Unternehmen in der Schweiz so gut
wie steuerbefreit. Coca Cola Griechenland ist
immerhin der zweitgrößte Getränkeabfüller
weltweit und das größte Unternehmen
Griechenlands. Gemäss der Handelszeitung
vom 14.10.2012 "wollen weitere griechische
Unternehmen in der Schweiz Unterschlupf finden.
Das Schweizer Asyl vor griechischen Steuern
rufe allerdings die EU auf den Plan".
Das kürzlich revidierte Doppelbesteuerungsabkommen
zwischen der Schweiz und Griechenland leistet
solchen Praktiken Vorschub. Die Quellensteuer,
welche Griechenland noch auf unternehmensinterne
Zinszahlungen in die Schweiz erheben darf, wurde
auf von 7% auf nur noch 5% abgesenkt ebenso
der maximale Quellensteuersatz für Dividendenzahlungen
(von 35%).
Die griechischen
Superreichen fühlen sich seit jeher von
der Schweiz, beziehungsweise ihrem milden Steuerklima,
magisch angezogen. Ob Aristoteles Onassis und
seine Nachkommenschaft, Stavros Niarchos der
seinerzeit ebenfalls zu den Reichsten der Welt
zählte, Yiannis Latsis, auch Milliardenschwer,
der Livanos-Clan (800 Millionen), George Koukis,
Gründer der Software-Entwicklerin Temenos
(200 Millionen) oder die Schnulzensängerin
und Nana Mouskouri. Sie alle "schätzen
die Pauschalbesteuerung, das Bankgeheimnis und
die Rechtssicherheit», sagt Spyros Arvanitis,
griechischer Ökonom an der Konjunkturforschungsstelle
der ETH. Parteifreund von Nana Mouskouri (1994
bis 1999 Europa-Abgeordnete für Nea Dimokratia)
ist der griechische Ministerpräsident und
oberster „Sparer“ Antonis Samaras.
Die Söhne Stavros Niarchos sind die grössten
Grundbesitzer im Engadin. Ihnen gehören
dort Luxushotels und Bergbahnen. Der Reederclan
Martinos kaufte 2006 für 110 Millionen
Franken die einstige St. Moritzer Villa des
Schah von Persien und die gegenüberliegende
Villa Mira Margna.
Am 2.
Juni 2012 schrieb der Tages-Anzeiger: "Anfang
Woche war in Griechenland wieder einmal Zahltag.
18 Milliarden Euro flossen aus dem Euro-Rettungsschirm
in das griechische Bankensystem. Die National
Bank erhielt 6,9 Milliarden Euro, die Piraeus
Bank 5 Milliarden, die EFG Eurobank Ergasias
4,2 Milliarden und die Alpha Bank 1,9 Milliarden.
Einer der grössten Profiteure der Rettungsaktion
sitzt in Genf: Spiros Latsis, der reichste Mann
Griechenlands, mit Wohnsitz in Bellevue bei
Genf." Spiros Latsis ist der Sohn
von Yiannis Latsis. Ihm gehört die EFG
Eurobank Ergasias, die zweitgrösste Bank
Griechenlands und die EFG International, eine
global tätige Schweizer Privatbankengruppe
mit Sitz an der Bahnhofstrasse in Zürich.
Daneben nennt er noch eine Reederei sein Eigen,
eine Immobiliengesellschaft, 30% an Hellenic
Petroleum und die Privatjetfirma Private Air.
Ihm gehört eine exklusive Jachtagentur
sowie die Superjacht "Alexander" mit
einer 57-köpfigen Mannschaft, eigenem Kino,
Hubschrauberlandedeck, Disco und 40 Kabinen
hat natürlich auch Grundbesitz –
weltweit. Darunter alleine im kleinen Kanton
Genf 50'000 m2 Land und 250 Wohnungen.
Der 14.
November wird ein Tag des internationalen Kampfes,
der auf einer neuen Ebene als bisher stattfindet.
Es ist der erste Versuch in der derzeitigen
Krise, koordinierte Generalstreik-Aktionen durchzuführen.
Er muss zu einem erfolgreichen Kampftag gegen
die kapitalistische Krise und die Sparprogramme
und damit zum Ausgangspunkt für weitere
und noch enger miteinander verknüpfte Aktionen
werden.
Der 14. November darf kein einmaliger
Akt bleiben, sondern muss ein Schritt hin zu
einer starken Protest- und Streikbewegung in
ganz Europa werden.
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