Diese Bewegung ist nicht vom
Himmel gefallen. Bereits forderten viele «kleine
soziale Bewegungen» das politische System
in der Zweiparteienlandschaft Spaniens heraus:
Wechselweise ist Mitte-Rechts (Partido Popular
PP) an der Macht, dann wieder Mitte-Links (PSOE).
Dabei unterscheidet sich die konkrete Politik
der beiden Formationen nicht sehr. Im September
2011 sorgten beide Parteien gemeinsam dafür,
dass die Sparpolitik gar in der spanischen Verfassung
festgeschrieben wird. Banken retten und Schulden
zahlen – notabene illegitime Schulden
– wird somit zur Verfassungsaufgabe. Diese
Priorität muss dann von jeder gegebenen
Regierung umgesetzt werden. Die Diktatur des
Finanzkapitals ist somit auf Verfassungsebene
die Norm geworden. Dieselbe Stossrichtung ist
übrigens in immer mehr Ländern Europas
am Werk.
Diese Sparpolitik wird die
Wirtschaftskrise, die Spanien fest im Griff
hat, noch verschärfen. Bereits heute sind
offiziell 5 Millionen Menschen arbeitslos. Unter
ihnen suchen 2,3 Millionen seit über einem
Jahr einen Job (El Pais, 20. Oktober 2011).
In knapp 1,5 Millionen Haushalten hat gar niemand
eine Arbeitsstelle. In Katalonien, das als wirtschaftlich
gut entwickelt gilt, liegt die Arbeitslosenquote
unter Jugendlichen (16 bis 24 Jahre) bei 43,1%.
Im dritten Quartal 2011 wurden in der Region
Madrid 71‘000 und in Katalonien 58‘900
Arbeitsplätze abgebaut. Ausgabenkürzungen
im Gesundheits- und Bildungswesen haben im dritten
Quartal 2011 die Arbeitslosigkeit noch verstärkt:
Pflegefachleute, Ärztinnen und Ärzte,
Lehrpersonen verlieren ihre Arbeit, während
sich Gesundheit und Bildung verschlechtern.
Prekäre Arbeitsverhältnisse sind die
Regel geworden. Aufgrund der düsteren Zukunftsaussichten
planen Zehntausende Jugendliche auszuwandern
(El Pais, 6. November 2011).
In dieser politischen und sozialen
Situation entwickelte sich die Bewegung der
Empörten. Die Bewegung signalisiert Protest
gegen die soziale und politische Lage des Landes,
aber auch die Suche nach kollektiven und konstruktiven
Alternativen. Gleich von Beginn weg verstand
sich die Bewegung als Teil eines internationalen
Grösseren, das vom ägyptischen Tahrir-Platz
bis Griechenland reicht.
Heute ist die Bewegung mit
einer immer härteren Rechten (PP), mit
einer systemkonformen Sozialdemokratie (PSOE)
und mit den ständig steigenden Anforderungen
des Finanzkapitals konfrontiert.
Gleichzeitig verteidigt die
Bewegung der Empörten auch die Familien,
die aus ihren Wohnungen und Häusern zwangsgeräumt
werden, weil sie die Hypothekarzinsen nicht
mehr zahlen können. Auch die brutal entlassenen
Lehrpersonen werden unterstützt. 5‘000
waren es nur schon in Madrid.
Die Bewegung und verschiedene
Organisationen der radikalen Linken haben eine
breite Debatte angefacht: Fragen zum Ursprung
der kapitalistischen Krise, zu den möglichen
Antworten, zur Möglichkeit, dass die Lohnabhängigen
ihre Identität als soziales Subjekt im
Widerstand und Veränderungswille neu erlangen.
Das sind auch die Fragen, die wir gerne an diesem
Diskussionsabend mit euch/Ihnen angehen wollen.