Sektion Zürich

Thema: ArbeiterInnenbewegung

Wir veröffentlichen nachstehend einen Artikel aus dem "Blick" vom Montag 13. Juni 2005 auf unserer Webseite.
Economiesuisse, Bundesrat und Gewerkschaftsspitzen versuchen, die flankierenden Massnahmen zur erweiterten Personenfreizügigkeit als wirksam zu verkaufen. Dieses einfache Beispiel zeigt, dass das Gegenteil Realität ist. Es ist dabei nur die Spitze des Eisbergs und wird in voller Tragweite nach einem allfälligen "Ja" am 25.September auftreten. Mit den Bilateralen bekommen die Arbeitgeber, was sie wollen: die Möglichkeit zum Lohn- und Sozialdumping.

Personenfreizügigkeit
Metzger schlachten den Lohn

VON RÜDI STEINER UND GERD LÖHRER
ZÜRICH. Billige Akkord-Metzger aus Deutschland überfluten die Schweiz. Ins Land geschleust werden sie von dubiosen Vermittlern. Zusammen mit Grossmetzgereien wie Bell und Micama drücken sie die Löhne.

Uwe F.* (35) kam Anfang 2004 aus Erfurt. Angelockt wurde der Ostdeutsche von den hohen Löhnen. Im Mai 2004 unterschrieb er einen Vertrag beim Vermittler Willmann Fleischverarbeitung AG in Amriswil TG. Fortan arbeitete er im Stückakkord in der Bell-Metzgerei in Lyss BE als Ausbeiner von Schweinebäuchen. Pro Schwein brachte das 70 Rappen. F. schaffte locker 500 Schweine am Tag. Machte 350 Franken. Und Ende Monat 7700 Franken.

Bloss: Die 7700 Franken wurden immer weniger. Im Laufe der folgenden sieben Monate, die F. für Willmann arbeitete, reduzierte sich der Stückpreis um 25 Prozent.
F. erfuhr Abschläge stets aus der nachfolgenden Monatsrechnung.

Gleich erging es Axel S.* (36). Der Westdeutsche arbeitete bis letzten September bei Bell in Densingen SO. Für 14 000 bis 15 000 Franken Im Monat, wie er sagt. Dann wurde er zusammen mit anderen Akkord-Metzgern an den Vermittler Willmann ausgelagert. Einen Monat später bekam er noch 7500 Franken. Er hat darauf gekündigt. Seinen Job macht jetzt ein anderer Deutscher. Für noch weniger, wie S. vermutet. Gedrückt wurde auch Stefan M.* (29). Er arbeitete bei Bell in Lyss. Vertraglich hatte er mit Vermittler Willmann ein Mindestsalär von 5000 Franken ausgehandelt. Bekommen hat er am Schluss weniger als 3000 Franken.


«Die Vermittler machen sich gegenseitig kaputt und drücken dabei die Löhne», erklärt Arthur Rossetti, Chef des Metzgerei-Personal-Verbandes (MPV). Die Zahlen: Zwischen 2002 und 2005 sind Löhne für Akkord-Metzger von über 10 000 Franken auf 6000 Franken eingebrochen, teilweise wird heute weniger als 5000 Franken bezahlt.

Dabei sind die höheren Löhne durchaus gerechtfertigt. Denn ein Akkord-Metzger arbeitet doppelt so viel wie ein Festangestellter.

«Es sind vor allem Deutsche, die den Markt ruinieren», welss Rossetti. Und zwar bei Vermittlern und Metzgern. Grund: In Deutschland ist das Reservoir an fähigen Metzgern beinahe unerschöpflich.

Grossmetzgereien wie Bell und die Migros-Micarna wissen dies zu nutzen und drücken mit. «Die Preise verändern sich gegen unten», gibt Johannes Meister, Personal-chef bei Bell, offen zu. Von den DumpingLöhnen, die Akkord¬Metzger bei Bell bekommen, will er nichts wissen. «Das entspricht nicht unseren Abmachungen», sagt er. Kontrolliert hat Bell die Abrechnungen der Vermittler bis heute aber noch nie. «Das war vielleicht etwas gutgläubig». sagt Meister und verspricht Besserung. Er verweist auf einen neuen Vertrag, der jetzt für mehr Transparenz bei den Löhnen sorgt.

Doch auch Meister weiss: Am Druck auf die Löhne der 500 Metzger, die in der Schweiz im Akkord arbeiten ändert das nichts. Jüngstes Beispiel ist die Migros-Tochter Micarna. Ende April flatterte ihr ein Angebot des Vermittlers Heinen aus Geuensee LU ins Haus. Seine Akkord-Metzger wollten die gleiche Arbeit für 20 bis 30 Prozent weniger Lohn ausführen als der bisherige Anbieter Delicarna aus Basel. BLICK liegt die Offerte vor (siehe Tabelle). Micarna hat das Heinen-Angebot zwar abgelehnt. Dafür bei Delicarna tiefere Tarife durchgesetzt. Delicarna-Chef Werner Tschannen bestätigt gegenüber BLICK den Abschlag.

Tschannen behauptet: «Das ist noch nicht das Ende. Mit den Bilateralen haben wir eine neue Ausgangslage. Polen und Rumänen kommen nach Deutschland. Die Deutschen gehen in die Schweiz. Die arbeiten zu ganz anderen Preisen. Da gehen die Löhne in jedem Fall nach unten.)

Nicht nur jene der Akkord-Metzger. «Auch die Löhne der Festangestellten kommen unter Druck, befürchtet Tschannen. Er kennt Grossbetriebe. die bereits die Löhne gesenkt haben. Einer ist der Fleischverarbeiter Traitafina aus Lenzburg AG. Er hat auf 1. April die Löhne der Angestellten um zwei bis sechs Prozent gekürzt. Und die wöchentliche Arbeitszeit um eine Stunde erhöht. Wer nicht unterschrieben hat, wurde gekündigt.

Und Uwe F.? Der hatte vor drei Wochen seinen Letzten. Inzwischen ist er wieder in Erfurt. Vom vermeintlichen Hochlohn-Land Schweiz hat er die Nase gestrichen voll.

Weniger Geld für die Metzgerarbeit
So viel verlangt Akkordmetzger Eduard Heinen aus Geuensee LU für die Schlachterei
Artikel Preis ALT in Franken Preis NEU in Franken
Rindsvorderviertel
12.60 
10.00
Rindsstotzen o. Huft
4.80
3.80
Rindshuft
0.60
0.40
Rindshohrücken/Hals
4.50
3.60
Kuhvorderviertel
12.00
9.00
Kuhstotzen m. Schenkel
5.40
3.80
Kuhhuft
0.50
0.40
Kuhlaffen
3.60
2.70