Der
Basler Konzern Lonza hatte Ende Juni angekündigt,
auf den 1. Juli befristet auf 18 Monate die
Arbeitszeit für alle Mitarbeiter am Standort
Visp von durchschnittlich 41 auf 43 Stunden
zu erhöhen. Der Gewinn am Standort Visp
stehe stark unter Druck. Die sinkende Profitabilität
des Lonza Werks Visp sei primär auf die
massive Stärke des Schweizer Frankens,
auf eine aggressive Preispolitik von Konkurrenten
und steigende Rohstoff- und Energiepreise
zurückzuführen, hiess es in einem
von Lonza verbreiteten Communiqué.
Und weiter: „Mit der befristeten
Erhöhung der Soll-Arbeitszeit auf 43
Stunden für alle Mitarbeiter des Werks
in Visp könnten kurzfristig die negativen
Rahmenbedingungen teilweise kompensiert werden,
schreibt Lonza. Die hohe Auslastungder Anlagen
könne damit ohne zusätzliches Personal
bewältigt werden, womit ein weiterer
Kostenanstieg verhindert werde.“
Im April dieses Jahres hatte Lonza-Chef Borgas
seine Erwartung kundgetan, den Betriebsgewinn
bis ins Jahr 2013 um 110 bis 180 Mio. Fr.
zu steigern.
Am 5. Juli hiess es dann in einer Medienmitteilung
der Unia: Die Gewerkschaften Unia und Syna
haben mit der Geschäftsleitung der Lonza
den Konflikt um die einseitige Verlängerung
der Arbeitszeit und die Kündigung des
Kollektivvertrages (KAV) mit einer Vereinbarung
beigelegt.
Konkret
sieht diese Einigung so aus, dass „Lonza
sich verpflichtet“ die „beschlossene
Arbeitszeiterhöhung von zwei auf eineinhalb
Stunden zu reduzieren." Zudem tritt
die Arbeitszeiterhöhung nicht wie von Lonza
angeordnet am 1. Juli, sondern erst am 1. September
in Kraft. Corrado Pardini: „Wir konnten
den einseitigen Beschluss der Lonza zurückweisen
und ihn zugunsten der Beschäftigten verbessern.“
Am
10. Juli droht der neue Arbeitgeberpräsident
Valentin Vogt wegen der Frankenstärke mit
einer Nullrunde bei den kommenden Lohnverhandlungen
und rät unter der Frankenstärke „leidenden“
Unternehmen mit Verlängerung der Arbeitszeit
bei gleichem Lohn oder Lohnkürzungen: „Gerät
eine Firma durch die Währungssituation
in Not, scheint mir sinnvoller, für eine
gewisse Zeit entweder die Arbeitszeit bei gleichem
Lohn zu verlängern oder die Löhne
zu kürzen.“ (20 minuten vom
10. Juli 2011).
Ab
September werden die 280 Angestellten des Küchenherstellers
Franke in Aarburg wöchentlich 2,5 Stunden
länger arbeiten müssen als heute –
gratis - diese von den Sozialpartnern ausgehandelte
Vereinbarung soll das Wechselkursproblem entschärfen
und Franke ihre Gewinne sichern. Obwohl Meharbeit
das falsche Rezept gegen die Frankenstärke
sei – „die Arbeitgeber versuchten,
einen Waldbrand mit der Giesskanne zu löschen“
so Corrado Pardini, Sektorleiter Industrie der
Gewerkschaft Unia, hat die Unia der Gratis-Mehrarbeit
bei Franke zugestimmt.
Angestellte
Schweiz, die grösste Arbeitnehmerorganisation
der MEM-Industrie (Maschinen, Elektronik, Metall),
sperrt sich nicht grundsätzlich gegen Arbeitszeitverlängerungen.
Schliesslich ist die Massnahme durch den "Krisenartikel"
im GAV der MEM-Branche gewissermassen offizialisiert.
Gemäss GAV hat die Arbeitnehmervertretung
das Recht, die Verlängerung der Arbeitszeit
abzulehnen. Kommt es deshalb zu Entlassungen,
sind den Betriebskommissionen weitgehend die
Hände gebunden.
Einen Schritt weiter geht der Thurgauer Verpackungskonzern
Model AG mit Hauptsitz in Weinfelden. Bei Model
wird rund 900 beschäftigten ab September
die Wochenarbeitszeit um 2 Stunden bei gleichem
Lohn von 40 auf 42 Stunden erhöht. Gleichzeitig
wird den Beschäftigten ab nächstem
Jahr eine Woche Ferien gestrichen (nur noch
4 statt 5 Wochen).
Die Model Holding AG ist zu 100% im Besitz der
Familie Model, beschäftigt insgesamt etwa
3000 Leute und hat 2010 einen konsolidiertern
Verkaufserlös von 640 Mio. Franken erreicht.
Verwaltungsratspräsident
Dr. Daniel Model in der SF – Tagesschau
vom 20. Juli: „Jeder Mitarbeiter hat
die Freiheit sich damit nicht einverstanden
zu erklären und das ist wunderbar so“
und weiter: „aber dann muss er gehen,
man kann nicht den Fünfer und das Weggli
haben.“
Erich Kramer von der Unia Thurgau: „uns
sind die Hände gebunden, weil wir haben
keinen Gesamt-arbeitsvertrag mit der Model AG.“
Und weiter: „wenn wir einen GAV hätten
könnten wir mir der Model AG verhandeln
und einen gewissen Druck aufsetzen.“
Was Kramer verschweigt, ist das die GAV’s
Bestimmungen enthalten, die genau solche Mehrarbeit
möglich machen, wie beim Werkzeughersteller
Oertli aus Höri ZH dessen 200 Beschäftigte
ebenfalls zwei Stunden pro Woche länger
arbeiten müssen. Das dafür notwenige
Prozedere ist in GAV dem Oertle untersteht genau
festgelegt; eine Übereinstimmung mit der
Betriebskommission.
Sollte die Frankenstärke bis zum nächsten
Sommer anhalten will VR-Präsident Daniel
Model zu noch drastischeren Mitteln greifen
und rund die Hälfte der Arbeitsplätze
in der Schweiz abbauen.
Für Hans-Ulrich Bigler, den Direktor des
Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV), „dürfen
Lohnanpassungen kein Tabu sein. Nur so liessen
sich Arbeitsplätze erhalten, wenn Schweizer
Unternehmen wegen weggebrochener Margen Verluste
schrieben.“ Diese zusätzlichen
Arbeitsstunden wie in Krisenzeiten die Kurzarbeit
über die Arbeitslosen-versicherungen (ALV)
abzugelten, hält Bigler dagegen für
keine gute Idee. „So häuft man
nur neue Schulden bei der ALV an“,
sagte er. An der Arbeitszeitverlängerung
brauchen sich die Unternehmer ja auch nichr
paritätisch zu beteiligen. Aussagekräftig
ist auch der Ausspruch von Hansjörg Schmid,
Kommunikationschef bei Angestellte Schweiz in
der NZZ von heute und sagt wohl viel über
die Motive der Unternehmer aus: „Arbeit
gebe es meist mehr als genug, sagt Schmid, umso
mehr, als viele Firmen den Personalbestand nach
der Krise von 2009 nicht wieder erhöht
hätten.“
Die weltweiten Devisen-Spekulanten gehen derweil
von einer weiteren Stärkung des Frankens
aus und wetten weiter gegen den Euro. Dann,
wenn Model bei „anhaltender“ Frankenstärke
zu Arbeitsplatzabbau greifen will, nämlich
2012, rechnet z.B John Taylor, Chef und Gründer
des weltweit grössten Devisen-Hedge-Funds
FX Concepts mit der Parität von Franken
und Euro. „Es wird mit Sicherheit
eintreten, vielleicht sogar schon früher“.
Entsprechend setzt Taylor mehr als 20% seines
8 Milliarden Dollar schweren Portfolios auf
den Schweizerfranken. „Ein sehr, sehr,
sehr gutes Geschäft“.
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